Liebe in St. Petersburg
…«
»Wladimir Alexandrowitsch?«
»Ich habe Sie gegen einen Befehl Ihres Kaisers herausgehauen! Man wollte Sie nach Tokio versetzen! Tokio! Aber ich habe das nur verhindern können, indem ich verkündete, daß Sie meine Tochter Grazina heiraten werden. War das voreilig?«
»Sie wissen wie kein anderer, wie sehr ich Grazina liebe«, erwiderte Gregor mit trockener Kehle. »Ich weiß nicht, wie ich Ihnen danken soll.«
»Ich habe die öffentliche Verlobung und das Festbankett auf Mitte Mai festgesetzt.« Michejew zögerte, dann umfaßte er Gregors Schultern, zog ihn zu sich heran und küßte ihn auf beide Wangen. »Jetzt habe ich einen Sohn«, sagte er gerührt, als er ihn wieder losließ. »Das Unglück dabei ist nur, daß er ein Deutscher ist!«
»Wir wollten das doch vergessen, Wladimir Alexandrowitsch.« Das Blut rauschte in Gregors Schläfen. Das Herz schlug ihm bis zur Kehle.
»Das wird nicht möglich sein!« Michejew griff in die Anzugtasche und holte ein Stück Papier heraus. Er strich es gerade und wedelte dann damit durch die Luft. »Das war der zweite Teil meines Kampfes um dich, mein Sohn! Ich habe mit dem Großfürsten Nikolai einen Streit gehabt – einen Streit, sage ich dir! ›Ein deutscher Offizier heiratet nicht mehr in den russischen Adel ein‹, hat er geschrien, und ich brüllte zurück: ›Es geht um das Glück meiner Tochter!‹ Und der Großfürst bellte: ›Es geht nicht um das Glück eines einzelnen – es geht um Großrußland! Lies das!‹ Und er gab mir dieses Papier – die Abschrift eines Telegramms!«
Michejew verschnaufte sich und sah Gregor mit zur Seite geneigtem Kopf an. »Du wirst in einen großen Konflikt geraten, mein Junge. Was ich dir jetzt vorlese, müßtest du als deutscher Militärattaché sofort deiner Botschaft melden – dann hast du Grazina für immer verloren. Tust du es nicht, gehörst du unverbrüchlich zu meiner Familie, aber dann wird dich die deutsche Uniform drücken! Was soll ich tun?«
»Lies es vor, bitte …«, sagte Gregor tonlos.
»Ein Telegramm aus Pokrowskoje an den Zaren …« Michejew sah Gregor noch einmal an. »Es lautet: Ich flehe Dich an, Papa, mach keinen Krieg! Unermeßliches Leid wird über Rußland kommen. Die Erde wird rot von Blut sein. Halte Frieden, Papa. Gott will es.« { * }
Der General ließ das Papier sinken. Mit zuckenden Lippen starrte Gregor ihn an. »Krieg …«, sagte er endlich. Er kannte seine eigene Stimme kaum wieder. »Wer hat dieses Telegramm geschickt?«
»Rasputin!« Michejew zerknüllte das Papier und warf es gegen die getäfelte Wand. »Es ist, als ob er Gedanken lesen könnte. Schon einmal, neunzehnhundertzwölf beim Balkankrieg, hat er den Zaren gewarnt, einzugreifen. Und jetzt tut er es wieder …«
»Ihr … ihr denkt an Krieg?« fragte Gregor leise.
»Wir baden uns förmlich in diesem Gedanken!« Michejew blieb vor Gregor stehen, faßte mit spitzen Fingern einen der Knöpfe der Ulanenuniformjacke und drehte ihn ab. Über die Schulter hinweg warf er ihn dann in die Halle. »Und mein neuer Sohn ist deutscher Offizier! Was wirst du tun, Gregorij?«
»Es ist noch kein Krieg, mein Gott! Seid ihr denn wahnsinnig? Warum wollt ihr denn den Krieg?«
»Für England wird Deutschland wirtschaftlich zu stark, Frankreich will Rache für achtzehnhunderteinundsiebzig – Rußland endlich braucht Ostpreußen, Pommern und Schlesien …«
»Also ein Weltkrieg?« fragte Gregor tonlos. »Rasputin hat recht: Die Erde wird rot von Blut werden.«
»Und deshalb werden wir zuerst ihn vernichten.« Michejew drehte den zweiten Knopf von Gregors Uniform ab und warf ihn weg. »Warum hältst du still, Gregorij? Wenn jemand meine Uniform zerstörte, würde ich ihn erschießen!«
»Ich kann es doch nicht … Du bist Grazinas Vater!«
Michejew hatte den dritten Knopf abgerissen, warf ihn aber nicht weg, sondern steckte ihn Gregor in die Brusttasche.
»Jetzt weißt du, wie es um uns steht!« sagte er dabei. »Ich habe Befehl gegeben, daß ein Schlitten auf dich wartet. Er steht vor der Tür; du kannst sofort zurück nach Petersburg. Du kannst deine Botschaft unterrichten. Ich habe dem Großfürsten mein Ehrenwort gegeben, daß ich mich dann erschieße …«
Der General drehte sich um, ging mit schnellen Schritten durch die Halle und riß die Tür zum Roten Salon auf, wo die Damen warteten. »Da bin ich endlich!« rief er und breitete die Arme aus. Gregor hörte noch beim Zufallen der Tür, wie Grazina »Väterchen!« rief. Es
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