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Liebe in St. Petersburg

Liebe in St. Petersburg

Titel: Liebe in St. Petersburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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klang so glücklich …
    Bis zum Abend wartete der Schlitten vor dem Haus, dann fuhr er zu den Ställen zurück. Gregor von Puttlach blieb auf Trasnakoje.

V
    Die nun folgenden zehn Tage auf Trasnakoje waren angefüllt mit Jagdausflügen und fröhlichen Festessen, mit Besuchen des Nachbarn, des Fürsten Nachropow , und einem Sonntag in der Dorfkirche von Semjonowka . Der Bischof Iliodor Krepelew war aus dem nahen Kloster Timrogow herübergekommen, um den Gottesdienst zu zelebrieren. Die Bauern aus den umliegenden Dörfern bildeten einen Kirchenchor, auf den man selbst in der Isaaks-Kathedrale von St. Petersburg stolz gewesen wäre. Wie Orgeln klangen die Stimmen, und die beiden Vorsänger, ein heller Tenor und ein ganz tiefer Baß – Vater und Sohn, wie sich später herausstellte –, gestalteten ihren Part so ergreifend, daß selbst Gregor, der im allgemeinen nicht viel von der Kirche hielt, weich wurde und nach Grazinas Hand tastete.
    Über Krieg und Politik sprachen Michejew und Gregor nicht wieder. Auf der Jagd ging es so zu, wie es allgemein üblich war: Die Damen saßen, geschützt von den Kosaken, sicher und warm in den Schlitten; die Männer ritten voraus und ließen sich das Wild von den Bauern zutreiben. Man brauchte nur zu zielen und abzudrücken, wie auf einem Schießstand. Natürlich durften die Damen nicht schießen, sie durften nur zusehen und nachher den besten Schützen Kränze aus Tannenzweigen und goldenen Bändern um den Hals legen.
    Selbstverständlich war es immer Michejew, der die Trophäe errang. Er war wirklich ein guter Schütze, und Gregor bemühte sich, immer ein wenig schlechter zu schießen als Wladimir Alexandrowitsch. Als die beiden einmal im Park von Trasnakoje spazierengingen und den Bärenzwinger besichtigten, sagte Michejew, auf den riesigen schwarzbraunen Bären Wanja zeigend: »Ein echter Freund!« Er gab dem Tier einen Kuß auf die feuchte Schnauze. »Gregorij, mein Junge, du solltest dich auch daran gewöhnen, Tiere mehr zu lieben als Menschen. Das erspart dir Enttäuschungen!«
    »Wie könnte ich einen Bären jemals lieber haben als Grazina?«
    »Die eigene Frau nehmen wir mal aus!« Michejew blickte nachdenklich über den verschneiten Park. Es war ein herrlicher Tag von jener trockenen russischen Kälte, die alle Krankheitskeime vernichtet. Michejew und Gregor waren in dicke Pelze gehüllt und hatten die Mützen tief in die Gesichter gezogen. An den Pelzhaaren bildeten sich kleine Eiszapfen.
    Gregor schwieg. Jetzt denkt er an Anna Petrowna, spürte er. Welch ein Geheimnis birgt dieses Trasnakoje? Achtzehn Jahre alt war sie, als sie Grazina bekam – und dann nie wieder ein Kind! Eine völlig unnatürliche Ehe, in der es nur ein Kind gab. Hatte Anna Petrowna ihre Gesundheit verloren? Aber so sah es nicht aus. Es war eher vorstellbar, daß sich Michejew das Recht des Ehemannes immer mit Gewalt holen mußte und daß das eheliche Bett der Michejews nicht ein Ort der Liebe, sondern einer sich immer wiederholenden Tragödie war. Wladimir Alexandrowitsch liebte seine Frau, das sah man immer wieder, aber er haßte sie auch mit der gleichen Leidenschaft. Wo sie auftrat, war sie ein strahlender Stern – und dann schloß er sie wieder ein in die goldenen Truhen: das Stadtpalais in Sankt Petersburg, das Gut Trasnakoje, Schloß Nikolajew bei Nowgorod oder hinter dem Ural auf dem Gut Nowo Tungowska. Anna Petrowna ertrug alles still und geduldig, ihren Mann nur aus großen schwarzen Augen verträumt anblickend.
    »Einmal kommt die Zeit …« Das war das Äußerste, was sie einmal gesagt hatte. Und Michejew hatte laut gelacht und sich gegen die Brust getrommelt.
    »Du hoffst auf die Anarchisten und Revolutionäre?« hatte er geantwortet. »Auf diese weichknochigen Hirnverbrannten? Du bist die Gräfin Michejew, und wenn sie uns vom Adel an die Bäume hängen, dann hängst du mit, mein Täubchen. Aber ich verspreche dir: Nie wird Rußland in die Hand der Anarchisten fallen! Hinter uns stehen die Armeen und wir, die Generäle! Träume weiter, mein Täubchen …«
    »Du warst leichtsinnig, Gregorij!« sagte Michejew jetzt. Sie stapften durch eine Allee aus beschnittenen Taxushecken. Wie alle, die auf sich hielten, hatte auch Michejew seinen Park nach Versailler Muster anlegen lassen: Wege und Beetgruppen, Mauern und Steinplastiken, verträumte Winkel und kleine Pavillons. Im Sommer spie sogar ein Springbrunnen in der Mitte der Rasenfläche seine hohe Wasserfontäne in den Himmel. Französische

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