Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Liebe in St. Petersburg

Liebe in St. Petersburg

Titel: Liebe in St. Petersburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
Vom Netzwerk:
einen vorzüglichen Tee! Wirklich, das kann sie!«
    Es waren herrliche Tage auf Trasnakoje. Fern schienen alle Probleme einer Welt, die noch so friedlich aussah und doch schon so morsch war; zerfressen vom Wunsch nach Revanche, vom Gift des Neides und des politischen Ehrgeizes: Großrußland, der Mittelpunkt der Welt!
    Auch Luschek ging es gut: statt Alla bei ihm, schlief er jetzt bei Alla im Gesindehaus. Er hatte die Mitbewohnerinnen – immerhin sieben Mägde – mit Rubelchen bestochen und machte sich den für die Ordnung zuständigen Hofmeister gefügig, indem er ihm die fröhliche Margarita Anissimowa ins Bett legte, ein dralles Küchenmädchen, das der Hofmeister bisher vergeblich umschwänzelt hatte. Margarita tat es auch nur, weil Alla ihre beste Freundin war, aber nach drei Tagen hatte sie sich an den Hofmeister gewöhnt und empfand Freude dabei, wenn er ihr unter die Röcke griff, wo sie nichts weiter trug als ihre glatte, warme samtene Haut …
    Am elften Tag wurde für die Rückkehr nach Petersburg gepackt. Zehn Schlitten, drei davon geschlossen und beheizt, standen bereit. Die Kosaken putzten ihre Waffen und das Lederzeug, im Haus rannte alles durcheinander, Kisten und Körbe wurden gefüllt, denn es hieß, daß die gräflichen Herrschaften wohl kaum vor dem Sommer wieder nach Trasnakoje kommen würden. Nun würde das große Herrenhaus geschlossen werden, nur der Hofmeister und ein Lakai würden herumlungern, vier Mädchen jeden Tag die Räume putzen, die Pferde würden auf der Reitbahn bewegt werden, die Jagdhunde im Auslauf herumgehetzt, die Bären spazierengeführt … Und wenn man etwas Spaß und Abwechslung haben wollte, würde man in die nächsten Dörfer fahren und die Bauern ärgern! Das waren die Rechtlosen, ärmer noch als die Hunde des Grafen, die auch mehr zu essen hatten als mancher Muschik in seiner strohgedeckten Hütte. Diese Ausflüge des ›gehobenen gräflichen Personals‹ waren berüchtigt. Oft gab es dabei Vergewaltigungen oder ein paar Tote durch Axthiebe und Messerstechen, gespaltene Schädel und aufgeschlitzte Bäuche.
    Aber es gab nie eine Beschwerde beim Grafen! Der hohe Herr kam und ging, und meistens war er in St. Petersburg, aber das Personal blieb immer auf Trasnakoje! Wer den Haushofmeister zum Freund hatte, wessen Tochter ihm die Nachtstunden versüßte, der konnte sich glücklich und vom Schicksal bevorzugt schätzen.
    »Es sind die kleinen Tyrannen, die uns das Leben zur Hölle machen!« riefen deshalb auch die Agitatoren der Revolution bei ihren Versammlungen. Sie tauchten plötzlich auf, hielten ihre Reden und verschwanden wieder in den weiten Wäldern. Aber sie hinterließen in den Köpfen der Bauern und Arbeiter kleine glimmende Funken, die nie mehr erloschen. Die Keimzelle eines Feuers, das einmal ganz Rußland ergreifen sollte … Ab und zu gelang es, einen der Agitatoren zu ergreifen, man knüpfte ihn an einen Baum oder erschlug ihn nach guter alter Art mit einem Holzknüppel. Aber so, wie man Pilze abschneidet und sie wachsen immer doppelt nach, so vermehrten sich auch die Revolutionäre im ganzen Land. Vor allem aus Moskau sickerten sie durch Rußland, bis hinein in die unfaßbaren Weiten der sibirischen Wälder und Steppen …
    Gegen Mittag des nächsten Tages reisten die Michejews mit ihrer Begleitung ab: zehn Kosaken als Begleitschutz, zehn berittene Bauern, die den Grafen und seine Familie von Dorf zu Dorf weiterreichten, und auch der Kutscher aus Petersburg, dem die gräfliche Schreinerei einen neuen Schlitten gebaut hatte. Gregor hatte ihn, wie versprochen, bezahlt.
    Alla weinte schrecklich, gab Luschek einen dicken Räucherschinken mit und die offene Frage, ob sie schwanger sei … Es war überhaupt ein tränenreicher Abschied von allen Seiten, denn auch die Kosaken hatten sich erfolgreich unter den Mädchen von Trasnakoje umgesehen, und sogar der Petersburger Kutscher hatte sich mit Marja, der zweiten Köchin, eingelassen, einer etwas dicken, aber gutmütigen Person, die den Vorzug hatte, kochen zu können wie eine Märchenfee. Der Kutscher hatte trotz nächtlicher Anstrengungen sechs Pfund zugenommen und schwor zum Abschied bei allen Heiligen, daß er zurückkommen werde, um Marja zu heiraten. Er hatte keine Lust mehr, in St. Petersburg die feinen Herrchen in die Bordelle und die vornehmen Dämchen zu ihren heimlichen Liebhabern zu fahren. Hier auf Trasnakoje behagte ihm alles: Kutscher des Grafen und Bettgenosse von Marja. So ließ sich ein Leben mit

Weitere Kostenlose Bücher