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Liebe in St. Petersburg

Liebe in St. Petersburg

Titel: Liebe in St. Petersburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Stärke zu demonstrieren. Heimlich und unbeachtet marschierten an Rußlands Grenze zu Deutschland, in Ostpreußen, die Armeen des Großfürsten unter dem Oberbefehl des Generals Rennenkampf auf. Ähnliches vollzog sich an der galizischen Flanke im Südwesten. Manöver – hieß es offiziell. Aber Michejew wußte, daß Nikolai Nikolajewitsch bereits den Aufmarsch organisierte. Die später so oft zitierte ›Russische Dampfwalze‹ stand bereits unter Dampf.
    »Wann nimmst du deinen Abschied als deutscher Offizier?« fragte Michejew plötzlich.
    »Darüber ist nie gesprochen worden!«
    »Das sollte man aber! Es ist unmöglich, daß der Herr über Trasnakoje eine deutsche Uniform trägt.«
    »Vielleicht können wir auch in Petersburg leben, Väterchen«, sagte Grazina. »Gregorij bleibt weiter in seiner Botschaft, und wir leben im Palais …«
    Michejew nickte stumm. Wenn ihr wüßtet, dachte er. Aber ich darf nicht reden … So zerbricht die Politik die Herzen. Das war immer so, und es wird sich nie ändern. Welch ein armes wehrloses Schwein ist doch der einzelne Mensch! Für eine Idee schlachten ihn die Politiker …
    »Es wird sich alles finden, meine Kinder«, sagte Michejew, und es klang recht tragisch. »Versucht erst einmal, Anna Petrowna von der Notwendigkeit der stillen Verlobung zu überzeugen.«
    Am 20. Mai 1914 fand die Verlobung zwischen Gregor von Puttlach und Grazina Comtesse Michejew statt. In aller Stille …
    Im Stadtpalais der Michejews klangen die Sektkelche, Wladimir Alexandrowitsch brachte einen Toast auf das Brautpaar aus, küßte dann seine Tochter und seinen Schwiegersohn, war sehr gerührt und küßte schließlich sogar Anna Petrowna, die es kühl, unbewegten Gesichts unter dem schwarzen gescheitelten Haar, ertrug.
    Nur Hauptmann von Eimmen, Gregors Freund, war eingeladen worden. Sonst war man völlig unter sich, nicht einmal die nächsten Verwandten hatte man benachrichtigt. So kam denn auch von außerhalb nur eine einzige Gratulation: vom Großfürsten Nikolai Nikolajewitsch, zusammen mit einem riesigen Strauß weißen Flieders und einem Geschenk. Es war eine handgemalte Karte von Europa, auf der Rußlands Grenzen an der Elbe lagen. Michejew war es sichtlich peinlich, das Geschenk herumzureichen, und Hauptmann von Eimmen sagte denn auch, was die anderen dachten:
    »Vergessen wir es! Jeder weiß, daß der Großfürst ein Utopist ist! Nie war der Frieden sicherer als heute …«
    Michejew schwieg, aber zum erstenmal in seinem Leben betrank er sich sinnlos, daß man ihn halb ohnmächtig ins Bett tragen mußte.

VII
    Einige Tage später empfing Großfürst Nikolai den Mönch Iliodor und den Bischof Hermogen. Einstmals waren die beiden Freunde Rasputins gewesen, aber nun, wo sein Einfluß auf den Zaren so groß geworden war, zählten sie zu seinen ärgsten Feinden.
    »Es muß ein Mittel geben«, sagte der Großfürst, »Rasputin für immer auszuschalten. Er verhindert Rußlands Größe. Wir brauchen den Krieg! Ich vertraue auf die Macht der Kirche und auf Ihren Geist …«
    Am 28. Juni 1914, einem schönen, warmen Sommertag, brachte der Postbote von Pokrowskoje, wo Rasputin mit seiner Familie lebte, ein Telegramm der Zarin. Eines der vielen Telegramme, die hin- und herflogen, seit man Rasputin vom Hof verbannt hatte.
    »Ein Telegramm von Mama!« rief Rasputin, denn so nannte er das russische Kaiserpaar: Mama und Papa. Er lachte dröhnend in echter Freude und faltete das Blatt auseinander. Es war fast immer der gleiche Text: Wann kommen Sie zurück nach Petersburg, Vater Grigorij?
    Als Rasputin dem Postboten ein paar Kopeken geben wollte, war der schon gegangen. Rasputin lief ihm nach, erreichte ihn am Ausgang des Dorfes bei einem Gebüsch und rief ihm zu: »Bleib stehen, Brüderchen! Du kannst die Antwort gleich mitnehmen!«
    Und hier, an diesem Gebüsch, wartete eine alte Frau, eine Bettlerin, die niemand zuvor gesehen hatte. Sie ging auf Rasputin zu, flehte ihn um eine Kopeke an, und als er in den Taschen seines Rockes danach suchte, stürzte sie sich auf ihn, riß einen Dolch aus ihren Kleidern und stach Rasputin damit in den Leib.
    Schreiend preßte er die Hände auf die lange tiefe Wunde und schleppte sich zurück in sein Haus, während die Nachbarn und der Postbote sich auf die hysterisch schreiende Frau warfen und sie fesselten.
    »Ich habe den Antichristen getötet!« schrie sie. »Ich habe ihn getötet! Gott segne mich!«
    Später stellte sich heraus, daß sie von einem Priester zehn

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