Liebe in St. Petersburg
und das sei Wladimir Alexandrowitsch Michejew. Freund des Großfürsten zu sein, war eine Sache, um die man Michejew einesteils beneidete – wegen des Einflusses und wegen der Macht –, zu der sich aber andererseits niemand drängte. Da war es einfacher, über Anna Petrowna eine Freundschaft zu den Michejews zu gewinnen, um dadurch teilzuhaben am Wohlwollen des Zarenhofes.
Anna Petrowna, in den Salons ganz die schöne, etwas verschlossene, elegante Gräfin Michejewa, unterzog sich diesen gesellschaftlichen Pflichten mit Charme und geistvollen Plaudereien. Ein paarmal gehörte sie zur Teerunde der Zarin, sprach wenig und hörte geduldig zu, wie die Zarin sich über alle Welt beklagte, die einen Wundermann wie Rasputin nicht dulden wollte.
Eines Tages traf Michejew mit Grazina und Gregor in Peterhof zusammen, als die beiden einen Spaziergang machten. Der General war in Zivil, völlig unauffällig, und schlenderte bei den Kaskaden auf und ab.
»Sie sind hier, Vater?« sagte Grazina. Seit sie in Petersburg waren, siezte sie ihren Vater wieder, wie es Sitte in den vornehmen Häusern war. Auch Gregor tat es.
»Wie du siehst«, brummte Michejew. »Ich habe auf euch gewartet. So weit sind wir jetzt, daß wir uns in Parks treffen müssen, um miteinander zu reden. Von Pjotr« – das war der Kutscher – »wußte ich, daß ihr nach Peterhof fahren wolltet. Mit deiner Mutter zu reden, Grazinanka, ist völlig sinnlos – sie würde lieber unseren ganzen Besitz den Bauern schenken und hinter der roten Fahne hermarschieren! Ich verstehe die Welt nicht mehr! Laß uns etwas gehen …«
Sie schlenderten auf die obere Terrasse, lehnten sich an die steinerne Balustrade und blickten auf die wundervollen Wasserspiele hinunter. Auch das war ein Gnadenbeweis des Zaren: die Michejews hatten die Erlaubnis, die Gärten des Hofes zu betreten – wann immer sie wollten. Eine Auszeichnung, die nur wenigen zuteil wurde.
»Ich habe Streit mit dem Großfürsten Nikolai«, begann Michejew. »Ihretwegen, Gregorij Maximowitsch!«
»Der Großfürst kennt mich doch gar nicht!« sagte Gregor überrascht.
»Sie werden ihn auch nicht kennenlernen. Ihm genügt es, daß Sie deutscher Offizier sind. Er hat deshalb vorgeschlagen, Grazina hinter den Ural zu schicken, damit sie Sie vergißt.«
»Nie, Vater!« rief Grazina. »Ich würde mich umbringen, wenn Sie das tun! Ich schwöre es Ihnen!«
»Genau das habe ich dem Großfürsten auch gesagt. Aber ich glaube, er weiß gar nicht, was Liebe ist. Er kann nur in Divisionen, Armeekorps und Armeen denken. Immerhin hat er nachgegeben. Nur eines hat er mir unter Ehrenwort abverlangt, und ich habe es ihm gegeben. Grazina, es ist das Ehrenwort eines russischen Generals!«
»Die Einleitung klingt schlecht …«, sagte Grazina leise. »Was haben Sie ihm versprochen?«
»Es wird eine Verlobung geben, Mitte Mai, wie es bestimmt war, aber ohne einen Festball, ohne Einladungen, Karten, Gratulationscour … eine Verlobung hinter verschlossenen Türen gewissermaßen, nur unter uns.«
»Und was sagt Mama dazu?« fragte Grazina abweisend.
»Das ist es ja! Sie weiß es noch nicht. Wenn ich es ihr sage, dann ist das für sie Grund genug, das Gegenteil zu tun. Ganz Petersburg wird davon erfahren! Grazina, Gregorij – übernehmt ihr es, Anna Petrowna alles zu erklären. Ich weiß, es ist ihr gleichgültig, ob ich meine Ehre verliere …«
In dieser Minute empfand Gregor Mitleid mit Michejew. Welches Geheimnis auch über seiner Ehe liegen mochte und ganz gleich, wie sehr ihn die Schuld daran traf – jetzt war der nach außen so stolze und harte Mann bereit, zu bitten. Das System des Gehorsams, das in russischen Familien galt und den Mann zum absoluten Mittelpunkt machte, funktionierte plötzlich bei ihm nicht mehr. Was auch immer geschah – bei den Michejews mußte es zum Skandal werden, denn sie lebten zu stark im Glanz der Zarenkrone.
»Wir brauchen keine Zuschauer für unser Glück, Wladimir Alexandrowitsch«, sagte jetzt Gregor, da Grazina schwieg. »Daß wir zusammengehören, bedarf nicht des Beifalls von hundert oder zweihundert Gästen. Ich bin einverstanden, daß wir uns in aller Stille verloben.«
»Das macht mich froh, meine Kinder«, sagte Michejew, sichtlich erlöst. Dann wurde er aber schnell wieder ernst und nachdenklich.
Die letzten Gespräche mit dem Großfürsten Nikolai gingen nicht aus seinem Kopf. In Serbien braute sich etwas zusammen … dort sollte der Anlaß gegeben werden, Rußlands
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