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Liebe in St. Petersburg

Liebe in St. Petersburg

Titel: Liebe in St. Petersburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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geradezu unverschämt!« sagte von Eimmen. »Was wirst du tun, Gregor?«
    »Mich um Grazina und Anna Petrowna kümmern. Sie haben mich jetzt nötig.«
    »Mutter und Tochter zugleich? Gregor, übernimm dich nicht!« Der Freund lachte mit jenem Zwischenton, den Männer an sich haben, wenn Phantasie und Wunsch sich treffen. »Du solltest dir angewöhnen, Rotwein mit Eierkognak zu trinken – dazu frische Austern! Nur nicht schlappmachen, Junge!«
    »Du wirst es nicht glauben, Rudolf«, sagte Gregor und lächelte dabei, »meine wilde Zeit ist vorbei. Auch wenn ihr es alle nicht glauben wollt: für mich gibt es nur noch Grazina! Du wirst sehen, es wird ein zurückgezogenes, glückliches Leben werden. Wir wollen uns eine eigene, kleine friedliche Welt bauen …«
    Wie sehr irrte sich Gregor von Puttlach!
    General Michejew blieb in St. Petersburg, aber er lebte mehr im Generalstab als in seinem Stadtpalais. Die Begegnung mit dem Sibirientransport meldete er nicht – aber von dieser Nacht an war das Eis zwischen Wladimir Alexandrowitsch und Anna Petrowna sichtbar geworden. Wenn Michejew in seinem Palais schlief, dann benutzte er eines der vielen prunkvollen Fremdenzimmer im Versailler Stil. Die unvermeidlichen Begegnungen bei den Mahlzeiten waren überzuckert von Höflichkeit, schon wegen des Personals, aber es war eine unübersehbar krampfhafte Höflichkeit. Man sprach über Lappalien und trennte sich sofort nach dem abschließenden Mokka.
    Mit Gregor traf Michejew in diesen Wochen nur fünfmal zusammen, und zwar jedesmal dann, wenn der Deutsche mit Grazina erst mit dem Schlitten und später, als der Frühling in St. Petersburg Einzug gehalten hatte, mit einer Kutsche in die nahen Wälder fuhr.
    Frühling in St. Petersburg!
    Man hat Lieder gedichtet auf den Frühling in Wien, man schwärmt in aller Welt von dem Frühling in Paris, man träumt vom Frühling in San Remo … Wer die Schneeschmelze und das danach in Blütenpracht aufbrechende Land um St. Petersburg nicht gesehen hat, weiß nicht, was wirkliche Frühlingsseligkeit ist!
    Man vergißt rasch die in Schlamm und Morast versinkenden Straßen und Wege, die Qual der Bauern, ihre Dörfer zu erreichen, man denkt nicht mehr an die Eisschollen auf den Flüssen, die mit kanonenähnlichem Donnern zerbersten und sich übereinanderschieben, an die reißende Strömung, die die Ufer annagt, an den Schmutz, der auf allen Straßen liegt … Man vergißt es, denn es sind nur Vorboten einer Schönheit, die beginnt, wenn sich das Geäst der Birken zartgrün färbt, wenn sich der Schwarzdorn mit kleinen Blüten überhaucht und in den Niederungen die Weidenkätzchen schimmern. Die Biber kriechen aus ihren Winterhöhlen, die Eichhörnchen wiegen sich beim ersten warmen Wind in den Ästen, und von den zahllosen Brücken über die Newa-Arme und -Kanäle kann man die Schwäne beobachten, die – noch dick aufgeplustert – auf dem Wasser lautlos dahingleiten; ein klares Wasser, in dem sich der blaue Himmel spiegelt und eine blanke Sonne, die nun Wärme über ein Land breitet, das monatelang in Frost erstarrt war.
    Die Erde öffnet sich und beginnt zu atmen. Ein herbsüßer Geruch weht von den Wäldern her, die goldenen Kreuze auf den Kirchen funkeln in der Sonne, die Pelze werden in Truhen und Kisten verpackt, und man sieht wieder die Schönheit eines weiblichen Körpers unter Seide und Spitze oder auch nur unter einfacher, bedruckter Baumwolle.
    Eine unbeschreibliche Sehnsucht nach Leben durchpulst jeden Menschen, und wer nach Einbruch der Dämmerung durch die Parks geht, hört hinter den Büschen das verhaltene Kichern der Verliebtheit. Überall entfalten sich die Fontänen der Springbrunnen, und aus den Kaskaden der Wasserfälle von Petershof und Katalnaja Gorka glitzern hundert Regenbogen in den Sonnenstrahlen.
    Frühling in St. Petersburg – das ist wie das Erwachen einer Märchenwelt.
    General Michejew aber sah es anders. Je wärmer es an der Newa wurde, je mehr Blüten sich in den Parks entfalteten, je bunter die Kleider der Frauen wurden, um so mehr befiel ihn Unruhe – und er hatte gute Gründe dafür. Er sprach nie über seine Sorgen, mit wem auch? Anna Petrowna hatte begonnen, die Runde durch die Petersburger Salons zu machen. Jeden Tag flatterten Einladungen ins Haus oder brachten livrierte Diener eigenhändig die auf Büttenpapier gedruckten Höflichkeiten zu den Michejews. Es hatte sich jetzt herumgesprochen, daß Großfürst Nikolai eigentlich nur einen guten Freund habe,

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