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Liebe in St. Petersburg

Liebe in St. Petersburg

Titel: Liebe in St. Petersburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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trotzdem verbindet.«
    »Wir werden uns immer lieben!«
    »Gregorij …« Michejew warf mit einer Handbewegung die Schachfiguren um, und Gregor begriff, wie ernst diese Stunde war. »Zieh deine verdammte deutsche Uniform aus und geh mit Grazina nach Trasnakoje.«
    »Das ist unmöglich! Ich habe keinen Grund, meinen Degen zurückzugeben.«
    »Ist die Aussicht, Herr auf Trasnakoje zu werden, kein Grund?«
    »Ich soll also ein Russe werden«, sagte Gregor stockend. »Könntest du ein Deutscher sein, Wladimir Alexandrowitsch?«
    »Nie!«
    »Und von mir verlangst du … Angenommen, du hättest eine deutsche Frau geliebt …«
    »Dann wäre sie jetzt Russin!«
    »Mit dem gleichen Recht könnte ich sagen: Grazina wird Deutsche!«
    »Hast du sie gefragt?«
    »Nein. Zwischen uns gibt es solche Fragen nicht.«
    »Weil ihr wie zwei Hühner in den Tag hineinlebt! Mal hier gackern, mal dort gackern … Wie schön ist es doch, sich von der Sonne bescheinen zu lassen! Gregorij …« Michejew beugte sich weit vor. Sein eisgrauer Bart berührte die umgeworfenen Schachfiguren. »Ich erschieße dich, wenn du das, was ich dir jetzt sage, als Information betrachtest und es an deine Botschaft weitergibst! Ja! Wir ziehen Truppen zusammen! Überall im Land! Wir wissen, daß Österreich in Kürze aktiv werden wird! Von Frankreich haben wir die Zusicherung, daß es auf unserer Seite steht. Und Frankreich ist wiederum mit England verbündet. Und alle unterhalten eine Freundschaft zu Italien – begreifst du das?«
    »Ja! Ihr wollt den Krieg!« Gregor sprang auf. Mit einem fast mitleidigen Lächeln sah Michejew zu ihm hoch. »Aber Rußland wird diesen Krieg verlieren!«
    »Was ein Napoleon nicht schaffte, wird einem Kaiser Wilhelm II. erst recht nicht gelingen. Gregorij, setz dich wieder. Wenn du Grazina wirklich liebst …«
    »… nehme ich sie übermorgen mit nach Berlin in Sicherheit!«
    »Sehr tapfer!« Michejew nahm es gelassen hin; er wunderte sich selbst darüber. Ich mag den Kerl, dachte er. Jeden anderen hätte ich jetzt aus dem Haus jagen lassen. »Und wovon wollt ihr leben? Von deinem Offiziersgehalt? Das reicht gerade für die Stiefelwichse!«
    »Die Puttlachs haben Besitzungen im Baltikum.«
    »Im Kriegsfall werden sie beschlagnahmt, enteignet! Auch deine Verwandten in Ostpreußen werden flüchten müssen. Ostpreußen wird zu Rußland gehören!«
    »So weit seid ihr also schon?« Aus Gregors Stimme klang Bitterkeit. Ein Lakai klopfte an die Tür, stand militärisch stramm und meldete, daß das Abendessen im Gartensalon serviert sei. Michejew erhob sich und ergriff Gregors Arm. Seine Laune war geradezu euphorisch.
    »Heute esse ich für drei!« rief er. »Im Generalstab haben sie zwar eine gute Küche, aber es geht doch nichts über meinen französischen Koch! Gregorij, das Leben bläst dich jetzt an! Fall nicht um! Wenn du dich jetzt für Rußland entscheidest, kannst du in dem großen Trubel des französischen Staatsbesuchs unbehelligt nach Trasnakoje fahren. Ehe man merkt, daß du fort bist, sitzt du schon in den Wäldern und jagst Hasen …«
    »Das käme einer Desertation gleich, Wladimir Alexandrowitsch!«
    »Nenn es, wie du willst! Ich betrachte es als einen Akt der Sicherheit für Grazina und dich. Sie ist meine einzige Tochter, das einzige überhaupt, für das sich zu leben lohnt – und ich gebe sie in deine Hände! Weißt du, Kerl, was das für einen Vater bedeutet? Verdammt, ich müßte verlangen, daß du desertierst, ich müßte es dir befehlen!« Er blieb vor Gregor stehen und fuhr mit den Fingerspitzen über die blanken Knöpfe der deutschen Ulanenuniform. »Ich werde aus dir einen Russen machen«, sagte er langsam. »Oder du hast Grazina nie geliebt.«

VIII
    Einen Tag nach dem Ende des französischen Staatsbesuches, bei dem St. Petersburg noch einmal im hellsten Glanz erstrahlte und alle sich einig waren, daß nur noch Versailles diese Pracht übertrumpfen konnte, also am 24. Juli 1914, geschah dann das, was Gregor sehr nachdenklich stimmte.
    Am Vorabend, um 18 Uhr, hatte Österreich das erwartete Ultimatum an Serbien gestellt. Wer es las, wußte, daß es nun keinen Ausweg mehr gab, daß der Krieg nur noch eine Frage von Stunden oder Tagen war.
    Die Diplomaten tauschten noch einmal Noten ihrer Regierungen aus, der Zar und der deutsche Kaiser telegrafierten täglich mehrmals miteinander, Graf Pourtalès, der deutsche Botschafter, war fast Stammgast beim russischen Außenminister Sasonow, im Generalstab wurde alles

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