Liebe in St. Petersburg
hielten mich alle für einen Jungen, nur Wladimir Alexandrowitsch sah es anders und vergewaltigte mich eines Tages am Flußufer. Er nannte das Liebe auf den ersten Blick!« Sie warf die Kutschentür zu, von der anderen Seite stieg Grazina Wladimirowna ein, auch sie in Hosen und mit einem Gewehr in der Hand. Ihre herrlichen Haare trug sie noch offen, und in dem straffen Hemd brauchte man ihre schönen Brüste nicht zu ahnen.
»Es wird hart werden, Gregorij«, sagte Anna Petrowna. »Sie werden viele Stöße aushalten müssen, Rußlands Straßen sind schlecht.« Sie lachte ihm zu, hob die Hand, rannte zu ihrem Pferd und schwang sich mit einer Leichtigkeit darauf, als schwebe sie in den Sattel.
Etwas abseits vom Michejew-Palais warteten an einer Brücke drei dunkelgekleidete Reiter. Sie sahen aus wie selbständige Bauern, die in St. Petersburg einen guten Handel getätigt hatten und nun auf dem Heimweg waren. Der größte unter ihnen beugte sich über den Pferdenacken und starrte auf die Kutsche, als sie das Palaistor passierte und ratternd die Straße hinunterfuhr.
»Das sind sie«, sagte er. »Meine Information war also richtig. Die fünf Rubel sind gut angelegt …« Er lachte leise. »Man muß nur den Richtigen bestechen, dann kann man Schicksal spielen!«
»Aber ob es richtig ist, was du vorhast, bezweifle ich. Du legst dich mit den Michejews an, Pjotr! Überleg dir das!«
»Was gibt es da zu überlegen? Michejew! Was ist ein Michejew? Sollen wir Sand fressen, nur weil er ein General ist? Seine Tochter ist eine Deutschenhure – und so ist es nur recht, wenn man sie auch so behandelt.«
»Es kann aber gefährlich werden, Pjotr!«
»Nicht gefährlicher, als es schon ist! Die Tochter ist die einzige, die mich wiedererkennen kann. Das macht sie gefährlich. Und der Deutsche lebt noch! Ein zäher Hund, wahrhaftig!« Pjotr schnalzte mit der Zunge und gab seinem Pferd die Zügel frei. »Los! Hinterher!«
Er trabte an und die beiden anderen Studenten folgten ihm. Nebeneinander ritten sie die Straße entlang, in Sichtweite der Kutsche, die schnell fuhr.
»Sie werden bald einen Achsenbruch haben«, sagte einer der Studenten. »Sie fahren wie die Verrückten!«
»Sie werden noch anderes erleben!« rief Pjotr finster. »Ein Radbruch wäre ein Gottesgeschenk.«
»Du willst sie wirklich erschießen?«
»Den Deutschen! Wenn die anderen dabei im Wege stehen, haben sie Pech gehabt. Es gibt so unglückliche Menschen, die immer irgend jemandem im Weg stehen!« Er lachte rauh, gab seinem Gaul die Sporen und ritt näher an die Kutsche heran. »Sie werden nach Süden fahren, nach Trasnakoje! Vier Werst hinter der nächsten Poststation geht es durch einen dichten Wald, wo sich die Straße verengt. Wir werden schneller sein als sie, sie im Bogen umreiten und ihnen auf der Waldstraße entgegenkommen. Ihr paßt auf den Kutscher und die Beireiter auf, alles andere mache ich!«
Sie ritten in flottem Tempo etwa vier Stunden lang hinter der Kutsche her, dann sagte Pjotr: »Jetzt können wir sie überholen.« Der Wald war hier dichter und urwüchsiger, die Straße wurde enger. »Sie haben uns noch nicht bemerkt … Die Überraschung gelingt!«
Weit über die Pferdehälse gebeugt, galoppierten die drei durch den Wald und schlugen einen weiten Bogen.
Anna Petrowna ritt neben die Kutsche und beugte sich zum Fenster hinunter.
»Seit Petersburg verfolgen uns drei Männer!« rief sie. »Ladet die Gewehre. Sie reiten jetzt in einem Bogen voraus und werden uns bald anhalten! Ich weiß nicht, wer sie sind und was sie wollen, aber wir diskutieren nicht mit ihnen. Ob es Soldaten, Polizisten, Geheimpolizisten oder nur einfache Wegelagerer sind – wir lassen uns durch niemanden aufhalten!«
Sie legte ihr Gewehr quer vor sich über den Sattel und ritt wieder an die Spitze. Gregor und Grazina luden ihre Waffen und beugten sich dann aus dem Fenster. Die Kutsche schwankte bedrohlich über die schlechte Straße, die Räder und die Achsen knirschten laut.
»Wenn du die Kerle siehst, Fjodor Iwanowitsch, laß die Pferde laufen, was sie hergeben!« rief Anna Petrowna.
Tschugarin nickte und grinste breit.
»Sie werden zur Seite fliegen wie die Hühnchen, Hochwohlgeboren!« schrie er.
»Und wenn sie schießen, zieh den Kopf ein, kümmere dich nicht darum, sondern schlag mit der Peitsche auf die Pferde ein!«
»Hoj! Hoj!« brüllte Tschugarin und zog die Peitsche aus der Halterung. »Vielleicht kann ich einen Halunken aus dem Sattel schlagen,
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