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Liebe in St. Petersburg

Liebe in St. Petersburg

Titel: Liebe in St. Petersburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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den Schädel schlagen!«
    Sie tat es natürlich nicht, denn sie hatte Gregor von Puttlach viel zu liebgewonnen und nannte ihn meistens ›Söhnchen‹ und Grazina ›Töchterchen‹.
    Der Sommer war mittlerweile einem herrlichen Herbst gewichen, die Taiga leuchtete mit roten und goldenen Blättern, durchsetzt von immergrünen Nadelbäumen. Ein gewaltiges Flammen der Natur war es, ein grandioses Sterben in ergreifender Farbenpracht.
    Aber es würde einen frühen Winter geben, sagten die Bauern. Man hatte schon Hermeline mit Schneefell gesehen, die Haselmäuse schleppten eilig ihre Vorräte in die Nester und die Biber begannen in ihren Burgen die Stapel für den Winter zu sammeln.
    Dann regnete es tagelang, die Straßen versanken im Schlamm, der Tobol schwoll an und wälzte lehmiggelbe Fluten in den Irtysch, und als der Regen aufhörte, wehte der erste eisige Wind aus dem Osten über das Land und kündigte den Beginn des Winters an.
    So wurden es lange Tage und Abende am Kamin, Grazina spielte oft Klavier, und der Pope Tujan sang dazu mit seiner tiefen Stimme. Natürlich waren es nicht nur Choräle – er sang auch Reiter- und Kosakenlieder, Spottverse, wie sie jedes Volk besitzt; und wenn er ein paar Wodka oder einige Gläser Birkenwein getrunken hatte, konnte der geweihte Mann wohl auch zweideutige Liedchen singen von kecken Dirnchen und liebestollen Freiern.
    »Die Kirche muß im Volke stehen!« pflegte er dann zu sagen. »Nur so können wir ein Bollwerk sein gegen die Bolschewisten!«
    Bei Jerschow und seinen Genossen ging es weniger fröhlich zu. Politische Fanatiker haben meistens keinen Humor, oder kann jemand berichten, daß Lenin jemals einen knalligen Witz erzählt hat? Oder Robespierre? Oder Napoleon? Oder Spartakus, von dem die Roten immer soviel redeten?
    Ab und zu besuchte Gregor die Parteiversammlungen, die Jerschow abhielt, aber er diskutierte nicht mit den Teilnehmern. »Lassen Sie das sein, Gregorij Maximowitsch«, ermahnte ihn Jerschow in aller Freundschaft. »Erstens sind Sie Deutscher, und wenn Sie auch unter uns leben wie ein Russe, man nimmt es Ihnen übel, daß Ihre Landsleute Millionen von Russen töten. Und vom Bolschewismus verstehen Sie gar nichts. Ihr Herz ist bei den Leidenden – das weiß ich. Sie haben sehr viel Menschlichkeit in sich, aber das ändert nichts daran, daß Sie aus einer Gesellschaftsschicht kommen, die vernichtet werden muß!«
    Eines Abends nach dem Essen – Gregor hatte wieder einmal eine Versammlung besucht – sagte er nachdenklich zu Wanda Timofejewna: »Ich weiß nicht, warum Sie nicht Jerschows Treiben ein Ende setzen. Wissen Sie, daß sein Einfluß bis Tjumen und Tobolsk reicht? Daß er im Falle einer Revolution der Kommissar dieses ganzen Distrikts werden soll?«
    »Na und?« Tante Wanda lachte. »Was kann mir besseres passieren? Iwan Iwanowitsch ist unser Freund – auch als Kommissar wird er das nicht vergessen. Nowo Prassna wird nie enteignet oder vernichtet werden. Das ist die rote Seite. Gibt es keine Revolution und alles bleibt beim alten, ändert sich auch hier nichts. Dann stifte ich eine neue Glocke für die Kirche in Pestrawka, und Tujan wird zehn Messen extra für mich lesen! Nowo Prassna ist der sicherste Fleck in Rußland, glaubt es mir!«
    Dann schneite es, zwei Wochen lang. Das Land starb unter den weißen Massen, der Tobol fror zu, die Alten hackten Löcher in das Eis, um mit Leinen Fische zu fangen, in den Wäldern stellte man Fallen auf und salzte das Fleisch ein. Kurz vor Weihnachten sichtete man die ersten Wölfe …
    »Jetzt haben wir endlich Winter!« sagte Wanda Timofejewna froh. »Wenn am Tobol die Wölfe heulen, wird für den Menschen der warme Ofen der beste Freund für lange Wochen …«
    Probleme hatten unterdessen Luschek und Tschugarin. Es mußte so kommen, und niemand wunderte sich darüber. Tschugarin besoff sich greulich, aber Luschek dachte an Alla in Trasnakoje, die vielleicht auch solche Probleme mit sich herumtrug, und bedauerte wieder, nicht in Berlin zu sein. »Wat soll ick tun, Herr Oberleutnant?« fragte er eines Abends. »Morjen will Latifa mit dem Popen kommen! Kann ick mir retten, indem ick sage, ick wäre evangelisch?«
    Gregor lachte laut. »Du willst sie nicht heiraten?« fragte er dann.
    »Nee, Herr Oberleutnant!«
    »Du liebst sie nicht?«
    »Aba wie, Herr Oberleutnant.«
    »Na – und?«
    »Ick liebe doch aber ooch Alla in Trasnakoje.«
    »Du mußt dich für eine entscheiden, Luschek!«
    »Und in Berlin wartet

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