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Liebe in St. Petersburg

Liebe in St. Petersburg

Titel: Liebe in St. Petersburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Else, Herr Oberleutnant.«
    »Dann sieh zu, wie du da rauskommst!« sagte Gregor lachend. »Verdammter Kerl, muß denn das sein?«
    »Ick bin eben 'ne Frohnatur, Herr Oberleutnant. Det is Schicksal – da kann keener was ändern …«
    Über das Land am Tobol fiel die Einsamkeit des Winters. Nur mit dem Schlitten war es möglich, zu den Dörfern oder in die Kleinstadt zu fahren. Die Nachrichten aus Tjumen oder Tobolsk kamen spärlich nach Nowo Prassna. Ein paarmal trafen Todesmeldungen ein: Gefallen für das Vaterland und den Zaren! Neun neue Witwen, allein in Nowo Prassna! Und wenn Tujan außer sonntags die Glocke läutete, fragte man: Wen hat es jetzt getroffen? O dieser Krieg! Wozu das alles?
    Von Anna Petrowna kam keine Nachricht mehr. Schuld daran war der General, der Weihnachten auf Urlaub kam, sehr grau und alt geworden durch seine militärischen Niederlagen, aber nicht müde genug, um nicht mit den ›revolutionären Elementen‹ in seinen Ländereien aufzuräumen. So sehr Anna Petrowna sich dagegen sträubte, er stellte aus Urlaubern, Verwundeten und Reservisten eine kleine Truppe auf und räucherte die ›roten Rattenlöcher‹ systematisch aus. 23 Bolschewisten ließ er töten. Das sprach sich schnell herum, und der Name Michejew erschien ganz oben auf der Liste der Revolution. Sie nannte sich ›Säuberungsliste‹ – und daraufzustehen kam einem Todesurteil gleich.
    Was half es, daß Anna Petrowna immer dann, wenn Michejew mit seinen Soldaten im Norden war, im Süden erschien und die Not der Bestraften linderte? Und war Wladimir Alexandrowitsch im Süden, verteilte Anna Petrowna im Norden ihrer Besitzungen Rubel an die Verfolgten. Als Michejew nach vier Wochen an die Front zurückkehrte, hinterließ er einen abgrundtiefen Haß seiner Landsleute auf alles, was von Adel war.
    Anna Petrowna bemerkte es mit Erschrecken. Man grüßte sie in den Dörfern nur noch widerwillig und mit scheelen Blicken. Sie war nicht mehr die Freundin der Armen – sie war zur Frau eines Menschenjägers geworden.
    Das schrieb sie nicht. Als der Posthalter, der einmal in der Woche die Dörfer am Tobol abfuhr, sich überall mit Schnaps aufwärmte und schließlich volltrunken in Nowo Prassna ankam, den ersten Brief im neuen Jahr 1915 zu Tante Wanda brachte, stand nichts Persönliches darin.
    »Immer dasselbe!« schnauzte Wanda Timofejewna und gab den Brief an Gregor und Grazina weiter. »Das Durcheinander in Rußland wächst. Die Soldaten werden unzufrieden. Ein Glück, daß wir in Sibirien sitzen.«
    Das neue Jahr schritt vorwärts; an der Front verloren die Russen ganz Galizien. Was Rasputin geweissagt hatte, traf ein: Über Rußland ergoß sich ein Meer von Blut und Tränen. Im Juni gab es in Nowo Prassna zwei Geburten! die Witwe Larissa bekam ein Mädchen, und Latifa brachte einen Jungen zur Welt, der die gleichen großen Ohren hatte wie Luschek. Es gab eine schöne Taufe, Tujan segnete Eltern und Kinder und konnte sich nicht verkneifen, dabei zu sagen, daß man zwar die Kinderchen Gott weihe, aber vor den Ehen zurückschrecke. Tante Wanda richtete eine große Feier aus, zu der auch der Bezirkshauptmann aus Tjumen in einer Kutsche heranreiste. Er brachte die große Neuigkeit mit, daß der Abgeordnete der Duma, des russischen Reichstages, Alexander Feodorowitsch Kerenskij, öffentlich gesagt habe, Rußland müsse eine Republik werden! Ein Rußland ohne den Zaren? War das möglich?
    Kurz vor dem Einsetzen der nächsten Regenperiode verschwand Jerschow aus Pestrawka. Ohne Abschied, ohne einen hinterlassenen Gruß. Er war einfach weg. »Das ist schlecht!« sagte Tujan zu Gregor und Grazina. »Sehr schlecht sogar! Die Roten organisieren sich. Wir müssen etwas dagegen tun!«
    Aber es gab nichts dagegen zu tun. Es war zu spät.
    Am 30. Dezember 1916 wird Rasputin in St. Petersburg vom Fürsten Jussupoff ermordet. Er will damit die Zarenfamilie und Rußland vom ›Ungeist des Wundermönchs‹ befreien – aber er reißt damit nur eine Wunde in das Zarentum, die sich nie wieder schließt. Das Zarentum blutet aus …
    Am 8. März 1917 meutern die ersten Truppen in Petersburg. Die Bauern und Handwerker streiken. Die erste Revolution, die März-Revolution, hat Erfolg. Ein Arbeiterrat übernimmt die Herrschaft. Die Sowjets sind da!
    Am 15. März dankt Zar Nikolaus II. ab. Man nimmt ihn und seine Familie als ›Verderber Rußlands‹ in Haft.
    Am 16. April 1917 kommt Lenin in Petersburg an – aus Genf, in einem verschlossenen Waggon quer

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