Liebe ist ein Kleid aus Feuer
Runde machten. Andere wiederum behaupteten, Ida sei niemals schwanger gewesen und habe alles lediglich vorgetäuscht, um ihre Fruchtbarkeit endlich unter Beweis zu stellen. Liudolf, am direktesten betroffen, schien die Angelegenheit seltsamerweise wenig zu bekümmern; er steckte nach wie vor die meiste Zeit mit seinen Rittern zusammen, übte sich in Schwertkunst, Bogenschießen und Reiterspielen und hatte sich bislang nur gelegentlich am Krankenbett sehen lassen.
Der König dagegen nahm die Sache ernster. Otto erschien nahezu täglich und erkundigte sich jedes Mal eingehend nach Idas Befinden. Bislang war er immer allein gekommen, heute jedoch hatte er zu Eilas Verblüffung die Eiskönigin mitgebracht.
Hoch erhobenen Hauptes, als sei sie die Hausherrin, stolzierte Oda herein, in einem blauen Kleid, dessen verschwenderische Silberstickereien ihre Haut zum Strahlen brachten und ihr sorgfältig geflochtenes Haar zart wie Mondgespinst wirken ließen. Ganz selbstverständlich ließ sie sich am Bettrand der Herzogin nieder und stellte Ida Fragen über Fragen, ohne sich jedoch für deren Antworten zu interessieren. Stattdessen prasselte ein Redeschwall auf die Kranke nieder, der Eila vor Scham erstarren ließ. Am liebsten wäre sie hinausgelaufen, so unbehaglich fühlte sie sich, doch was blieb ihr übrig, als mit gesenktem Kopf in einer Ecke auszuharren und inständig zu hoffen, dass alles wenigstens möglichst schnell vorbei sein würde.
»Und ich kann dir versichern, dass ich weiß, wovon ich rede!« Odas wasserheller Blick flog gen Himmel. »Denn der Allmächtige hat mir die allerschwersten Prüfungen auferlegt. Ein Kind nach dem anderen zu Grabe tragen zu müssen! Jede andere Frau wäre vermutlich daran zugrunde gegangen. Aber ich habe trotz allem die Hoffnung niemals ganz verloren.«
Jetzt glitt ihr stechender Blick zum König.
»Dem Mann, dem mein Herz gehört, eines Tages einen gesunden Sohn zu schenken. Nichts auf der Welt könnte mich glücklicher machen.«
»Was fällt ihr ein!«, sagte Ida, kaum dass die beiden draußen waren. »Sich aufzuführen, als habe sie hier das Sagen! Ich kann sie nicht ausstehen, diese eitle, selbstverliebte Oda – und wenn sie zehnmal deine Mutter ist.«
»Es tut mir Leid, wenn sie dich verletzt hat«, sagte Eila. »Du müsstest sie besser kennen, um zu wissen, dass sie …«
»Nimm sie nicht auch noch in Schutz!« Idas Augen funkelten zornig. »Damit machst du alles nur schlimmer. Zum Glück hast du wenig mit ihr gemein, sonst hätte ich mich niemals für dich entschieden. Aber sie wird schon noch merken, wie weit sie mit ihrem Hochmut kommt. Soll sie sich doch einbilden, sie sei fast am Ziel! Dabei kann jeder sehen, der Augen hat, dass sie für Otto nichts als ein Spielzeug ist, an dem sein Interesse bald erlöschen wird.«
Der Gefühlsausbruch schien Ida erschöpft zu haben. Sie sank zurück in die Kissen. Jetzt, da ihre Wangen die anmutige Rundung der vergangenen Wochen verloren hatten, erschien der Kopf flacher. Zudem ließen die schmalen, abfällig gespitzten Lippen den Mund wie eine Schnauze wirken.
Seitdem sie so krank ist, besitzt sie tatsächlich Ähnlichkeit mit ihren heiß geliebten Frettchen, schoss es Eila durch den Kopf, und sie musste sich bei dem Gedanken unwillkürlich schütteln. Diesen wuseligen Tieren vermochte sie beim besten Willen keinerlei Sympathie entgegenzubringen, obwohl Ida nichts unversucht gelassen hatte, sie genau dazu zu bewegen. Eila hatte es schon Überwindung genug gekostet, ihnen überhaupt nahe zu kommen, und der abstoßende Gestank, den vor allem die beiden Rüden verströmten, tat sein Übriges.
»Die Zähne hat man ihnen beizeiten abgefeilt«, hatte Ida ihr Mut gemacht, die das Rudel erbarmungslos in Käfigen von Pfalz zu Pfalz mitschleppen ließ, um stets mit ihnen jagen zu können. »Damit sie während der Beize im Kaninchenbau die Beute nicht gleich selber annagen. Sei also unbesorgt! Du kannst sie ruhig streicheln. Meine kleinen Lieblinge sind daran gewöhnt. Sie werden dir nichts tun.«
Doch als Eila schließlich die Hand in den Käfig gesteckt hatte, zögernd, nur unter größtem Vorbehalt, war die älteste Fähe aggressiv herumgeschossen und hatte ihre Zähne tief in Eilas Handballen geschlagen. Der Schmerz war scharf und erinnerte Eila an Roses Schilderung jenes Rattenbisses zu Weihnachten, von dem die Freundin ihr unter Tränen erzählt hatte. Der König hatte sie danach besucht, getröstet und ihr Mut zugesprochen, ohne
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