Liebe ist ein Kleid aus Feuer
sich von der Kranken abzuwenden oder sich gar vor ihr zu ekeln. Seitdem verehrte Rose ihn glühend. Nahezu jeden Tag hatte sie von ihm gesprochen und von ihrem Wunsch, sich eines Tages für seine noble Haltung erkenntlich zu zeigen.
Unwillkürlich massierte Eila den Ballen ihrer linken Hand. Eine winzige taube Stelle war zurückgeblieben, die sie nicht sonderlich störte. Dass Ida nichts vom dem, was sie tat, zu entgehen schien, war weitaus ärgerlicher. Nirgendwo konnte Eila sich unbeobachtet fühlen, unterwegs nicht, weil die Herzogin darauf bestand, dass sie stets neben ihr ritt, ebenso wenig hier, wo sie wie schon in Magdeburg und Quedlinburg im Nebengelass von Idas Gemach nächtigen musste. Sogar wenn sie es einmal bis hinunter an die große Wallanlage schaffte, von der aus man einen weiten Blick über den Fluss und das Dorf Guitinga mit seinen niedrigen braunen Dächern hatte, konnte sie sicher sein, dass prompt jemand hinterherkam, um sie zurück zu Ida zu scheuchen.
Sollte das die Freiheit sein, die Sigmar ihr bei seiner Werbung in Aussicht gestellt hatte? Da hatte die Freiheit, von der sie auf der elterlichen Burg geträumt hatte, aber anders ausgesehen!
»Bist du etwa in Gedanken schon wieder bei ihr?«, kam es spitz aus dem Alkoven. »Man könnte euch für Zwillinge halten, so unzertrennlich, wie ihr beide seid.«
Die Eifersucht auf Rose plagte Ida nach wie vor, und manchmal überkam Eila die Befürchtung, dass sie ständig weiterwachsen würde. Deshalb durfte Ida auch niemals erfahren, dass sie Rose geschrieben hatte, und erst recht nicht, was. Allein schon den Boten zu bestechen, ihren Brief heimlich unter die königlichen Urkunden zu schmuggeln, die er nach Gandersheim bringen sollte, war schwierig und riskant genug gewesen. Jetzt konnte sie nur hoffen und beten, dass ihr Schreiben von niemandem abgefangen wurde und ihre Zeilen das Ziel unbeschadet erreichten.
»Oder ist es dieses Mal ausnahmsweise Sigmar, mit dem du dich gerade wortlos besprichst?« Idas Stimme wurde schrill. »Mit dem Heiraten scheint es euch beiden ja nicht mehr allzu eilig zu sein. Schon seltsam, wenn man bedenkt, dass es deinem stürmischen Verlobten noch vor kurzem gar nicht schnell genug damit gehen konnte.«
»Sigmar hat wohl zurzeit den Kopf voll anderer Dinge«, sagte Eila. In den letzten Wochen waren sie sich eigentlich nur zufällig über den Weg gelaufen, und sie war froh darüber. Die Sache mit Landos Ring stand noch immer zwischen ihnen – und mehr als das. Manchmal hatte sie das Gefühl, dass Sigmar ahnte, was in ihr vorging, was sie verlegen machte und dazu trieb, sich ihm gegenüber bei der nächsten Begegnung noch schroffer und patziger zu verhalten. Dann wieder schämte sie sich dafür. Er hatte ihr Wort. Was konnte er für die heimlichen Stürme, die in ihr tobten? »Und ich denke«, fuhr sie fort, »der Herzog, dein Gemahl, ist nicht ganz unschuldig daran.«
Sie begann, obwohl das Sache der Mägde gewesen wäre, saubere Leinentücher auf einen Stapel zu schichten, damit ihre Hände beschäftigt waren, während ihre Gedanken unbehelligt auf Reisen gehen konnten.
»Manchmal glaube ich fast, du willst ihn gar nicht mehr heiraten.« Ida hatte sich mühsam etwas aufgerichtet. Man sah ihr an, wie schwer ihr das noch immer fiel; boshafte Ideen wie diese jedoch schienen sie offenbar zu beleben. »Könnte das sein? Hör zu, Eila, falls du es dir noch einmal überlegt hast und es nur meinetwegen sein sollte, so musst du wissen …«
»Jetzt nicht!«, sagte Eila schnell. »Bitte!«
»… dass ich dich nicht wieder wegschicken werde. Ich hab dich gern in meiner Nähe. Du tust mir gut. Manchmal kommt es mir sogar vor, als seien wir beide schon sehr viel länger zusammen als ein paar Wochen …«
Mitten im Satz war Ida eingenickt, mit offenem Mund, aus dem schon bald kräftiges Schnarchen drang.
Eila trat ans Fenster und schob energisch die zerschlissene Schweinsblase zur Seite. Auch wenn sie unter ihren Händen zerbrach, bald würden sie ohnehin keinen Schutz vor Kälte und Wind mehr brauchen. Alles da draußen roch nach Frühling: die Blüten, die sich überall zeigten, das erste Grün, so hell und leuchtend, dass es einen fast blendete, die Luft, die so mild war wie eine zärtliche Umarmung. Schon jetzt war die Erde weich und warm, ein dunkler Schoß, aus dem das Leben spross.
Eila blickte fragend und sehnsüchtig zugleich zum Himmel auf, an dem kleine weiße Wolken trieben. Etwas Heißes flackerte über ihre
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