Liebe ist ein Kleid aus Feuer
geschickten Bewegungen verschob, nachdem sie überall umgerührt hatte. Schließlich knüpfte Gunna die Bänder auf, die das kleine Mädchen auf ihrem Rücken gehalten hatten, und legte es in die Wiege. Ein paar Augenblicke blieb es still, dann setzte erneut Lenyas Brüllen ein, zorniger nun.
»Mach es dir bequem!«, sagte sie zu Raymond. »Denn ich hab jetzt erst einmal zu tun. Sie weiß schon jetzt genau, was sie will.« Gunna setzte sich auf die Bank, löste die einfache Fibel, die ihr Gewand verschloss, und legte die Kleine an die Brust.
Es wurde still im Raum.
Raymond befreite sich von den Wolfsfellen, dann von seinem Filzumhang. Selbst die Wolle war auf einmal unerträglich warm auf seiner Haut. Er wusste plötzlich nicht mehr, wohin er schauen sollte, aber Gunna schien seine Befangenheit nicht zu bemerken, so vertieft war sie in die liebevolle Zwiesprache mit der Kleinen. Erleichtert nahm er wahr, dass nach einer Weile die Türe aufging und Lando hereinkam.
»Ich hab der Stute reichlich Hafer gegeben«, sagte er. »Denn sie hatte großen Hunger. Es scheint ihr besser zu gehen. Sie ist ein so schönes Tier!«
»Deshalb heißt sie ja auch Belle. Das bedeutet in der Sprache meiner alten Heimat ›schön‹.«
»Du bist gar nicht von hier?«, fragte Lando.
»Nein«, sagte Raymond. »Ich komme aus dem Westen. Aber das liegt so lange zurück, dass ich mich manchmal kaum noch daran erinnern kann.«
Ein Geräusch an der Tür brachte sie beide dazu, sich umzudrehen.
»Hier bist du also gelandet.« Algin ging zum Feuer.
»Deine Frau war so freundlich, mir eure Gastfreundschaft anzubieten.«
Ein Brummen war die Antwort. Algins helle Augen schienen ihn geradezu durchbohren zu wollen. Natürlich hätte Raymond wie schon so viele Male den Herrn und Ritter herauskehren können, der Anspruch auf Beherbergung erheben konnte, aber er tat es nicht.
Ein Mann, der seine Familie schützt, dachte er stattdessen. Ein Mann mit breitem Kreuz und großen Händen. Jemand, der lieber Eisen gefügig macht, als Worte zu verschwenden. Sein Messer hat mich neugierig gemacht, und das herrenlose Schwert erst recht. Bei nächster Gelegenheit werde ich es näher in Augenschein nehmen.
Er zog das Siegel heraus, legte es vor sich auf den Tisch. Algin griff danach und betrachtete eingehend den Krieger, den es zeigte, im Halbprofil dargestellt mit Lanze und Schild. Dann legte er es wieder zurück.
»Der König schickt dich?«, fragte er.
»Du kennst sein Siegel?«
»Wir sind Königsfreie«, erwiderte Algin, und es klang stolz. »Wer bist du?«
»Raymond von Scharzfels.«
Algins Blick glitt zu seiner Frau, als sei die Angelegenheit für ihn damit erledigt. »Ist das Essen fertig?«
Unbefangen zog Gunna den Säugling von der Brust, legte sich das kleine Bündel halb über die Schulter und klopfte dem Kind leicht auf den Rücken, damit es aufstoßen konnte.
»Bald«, sagte sie. »Du kannst dich vorher noch in Ruhe waschen.«
Sie legte Lenya in die Wiege, zog einen Topf mit heißem Schmalz näher ans Feuer und ließ kleine Teigballen darin sieden, die einen köstlichen Geruch verbreiteten. Algin säuberte sich Gesicht und Hände mit warmem Wasser und einem frischen Leinenstück und setzte sich schließlich zu Lando und Raymond an den Tisch. Raymond aß mehr als ein halbes Dutzend der Teigballen und musste zu seinem Erstaunen feststellen, wie gut dazu Brot war, das aus Dinkelmehl und gestoßenen Kastanien gebacken war. Gunnas Bier schmeckte leicht seifig, aber das hinderte ihn nicht daran, zwei große Becher davon zu trinken.
Später wollte Algin ihm das breite Lager an der Feuerstelle abtreten, aber er wies auf seine Wolfsfelle und bestand auf dem schmalen Raum nebenan. Hier schlief Lando sonst offenbar, der sich in den Stall verzogen hatte. Durch ein paar schmale Ritzen in der Wand drang etwas laue Wärme.
Raymond wälzte sich hin und her. Nebenan hörte er den Mann und die Frau zunächst miteinander wispern und lachen, dann begann die Kleine zu plärren. Gunna stand auf, legte Feuer nach und nahm sie offenbar an die Brust. Mit leisem Summen brachte sie sie anschließend wieder zum Einschlafen. Raymond, inzwischen hellwach, verfolgte jedes Geräusch. Er konnte nicht anders, als die Ohren zu spitzen, und bekam alles mit, was sich nebenan abspielte.
Die Bewegungen der beiden Körper, das Reiben von Haut auf Haut, das Stöhnen des Mannes und das heisere Flüstern der Frau, das schließlich in einen satten, lustvollen Schrei
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