Liebe ist ein Kleid aus Feuer
mündete.
Mit brennenden Augen starrte Raymond in die Dunkelheit. Die Bitterkeit, die in ihm aufstieg, war so unerträglich, dass er am liebsten ausgespuckt hätte. Stattdessen zog er sich die Decke über das Gesicht, rollte sich zusammen und schlief irgendwann ein.
FEBRUAR 946
BURG SCHARZFELS
Auf einmal betrachtete Eila die Burg mit Roses Augen, und was sich ihr da offenbarte, gefiel ihr ganz und gar nicht. Sie war froh, dass ihre neue Gefährtin nach langem Fieber noch zu schwach war, um allzu weit umherzustaksen, denn der Schmutz und die Spuren von Verwahrlosung, die ihnen überall entgegensprangen, ließen ein heißes Gefühl der Scham in ihr aufsteigen. Sogar das Holzdach über der Zisterne, das der Vater erst im letzten Sommer hatte errichten lassen, damit sie immer reines Wasser trinken konnten, hatte durch die Winterstürme gelitten und hing nun an einer Seite schief und jämmerlich herunter. Was nur konnte sie Rose zeigen, um den schlechten Eindruck etwas zu mildern? Sie entschloss sich, sie ins Taubenhaus zu bringen, aber Rose war inzwischen ein ganzes Stück hinter ihr stehen geblieben.
»Wer liegt denn da begraben?«, fragte sie, als Eila neben ihr stand, und zeigte auf die schlichten Holzkreuze.
»Da schlafen meine kleinen Brüder.«
»Es waren drei?«
Eila nickte.
»Aber da stehen ja gar keine Namen.«
»Sie kamen viel zu früh zur Welt, und einem von ihnen hatte sich die Nabelschnur um den Hals gewickelt. Dabei sahen sie schön aus, so winzig und vollkommen, wie sie waren! Und keiner von ihnen hatte meine rostige Wolle auf dem Kopf.«
Rose schien zu überlegen, dann bekreuzigte sie sich.
»Ich kann sie spüren«, sagte sie. »Weißt du, da ist etwas ganz Leichtes, Helles, das von ihnen ausgeht.«
»Aber sie wurden doch zu spät getauft«, entfuhr es Eila, die sofort erschrocken innehielt, weil sie dieses Geheimnis noch nie zuvor jemandem anvertraut hatte. Außerdem hatte sie den Vater mehrmals an den kleinen Gräbern weinen sehen, was am schwersten von allem für sie gewesen war. »Müssen sie jetzt nicht für immer in der Hölle braten?«
»Nein«, sagte Rose. »Bestimmt nicht! Das würde der himmlische Vater niemals zulassen.« Sie sah plötzlich traurig aus. »Du hast wenigstens Geschwister gehabt«, sagte sie. »Ich war immer ganz allein. Eigentlich müsstest du glücklich sein. Denn in deiner Erinnerung sind sie jetzt für immer bei dir.«
»Warum bist du eigentlich gefallen?«
»Das haben sie dir also auch schon erzählt.« Rose sah plötzlich noch kleiner und magerer aus. »Wahrscheinlich lacht inzwischen die ganze Burg über mich.«
»Niemand lacht! Ich weiß es lediglich von Malin. Und die hat dich schon ins Herz geschlossen und macht sich Sorgen, weil sie meint, du …«
»Ich will nicht darüber reden, verstanden?« Rose warf den Kopf zurück. »Es wird irgendwann vorbeigehen, ganz bestimmt. Ich muss nur Geduld haben. Und ganz fest beten.«
Sie versuchte zu lächeln, auch wenn es halb misslang.
»Weißt du, was? Ich stinke wie ein Iltis. Wenn deine Malin mir noch ein einziges Mal mit ihren widerlichen Brustwickeln aus Schmalz und gekochten Zwiebeln zu nahe kommt, dann beiß ich ihr den Finger ab.«
Sie rollte beim Reden so übertrieben mit den Augen, dass Eila lachen musste. Sie selber roch keinen Deut besser. In den einsamen Nächten, während Rose im Nebenzimmer mit dem Fieber gekämpft hatte, waren ihr die eigenen Ausdünstungen mehr als einmal unangenehm in die Nase gestiegen.
»Wir könnten baden«, schlug sie vor. »Es gibt einen großen Zuber, in den wir beide hineinpassen, und in der Küche brennt ein schönes Feuer.«
»Worauf warten wir dann noch?«
Malin freilich war von dem Vorschlag zunächst alles andere als angetan, ließ sich aber schließlich durch Eilas und Roses Bitten umstimmen. Die jüngste Magd musste eimerweise Wasser von der Zisterne heranschleppen und es in große Kessel füllen, die auf dem Herd langsam heiß wurden, ehe sie in den hölzernen Badezuber geleert wurden.
»Jetzt aber hinein mit euch!«, befahl Malin.
Eila schlüpfte aus Kleid und Unterkleid und genierte sich, als die Sachen jämmerlich wie schmutzige Würmer am Boden lagen. Rose hatte sich abgewandt. Eila beobachtete, wie sie mit einer geschickten Bewegung zusammen mit dem Unterkleid auch ihr Amulett abstreifte. Roses Haut schimmerte bräunlich, als sie sich in den Trog setzte, nicht weiß wie die von Eila. Sie war schmal und fest gebaut wie ein Junge, mit winzigen
Weitere Kostenlose Bücher