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Liebe ist ein Kleid aus Feuer

Titel: Liebe ist ein Kleid aus Feuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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besitzen darf, sollst du auch keinem anderen gehören. Kennst du einen solchen Mann?«
    Oda war leichenblass geworden.
    »Du redest Unsinn«, brachte sie stockend hervor. Und wenn der Strick sie verraten hatte? Aber er wusste doch nichts – gar nichts. »Es gibt niemanden. Niemanden!«
    Ragna schien sie gar nicht zu hören.
    »Wir werden kräftig räuchern müssen«, sagte sie. »Ich kann heute damit anfangen, aber das wird bei weitem nicht ausreichen. Später kann es die Vettel erledigen. Ich lass dir einen Vorrat da. Geißkraut gegen böse Geister. Mistel für Fruchtbarkeit und inneren Frieden. Melisse als Wegbegleiter in die Zukunft. Außerdem musst du dich auf die Geburt vorbereiten. Am besten ist ein Tee aus Himbeerblättern und Zinnkraut. Das öffnet das Tor und verhindert gleichzeitig, dass du Wasser in den Beinen bekommst.«
    Oda hielt die Arme über dem Bauch verschränkt und starrte die Moorfrau verdrossen an.
    »Mehr hast du nicht zu bieten?«, sagte sie. »Kräuter, Rauch und dummes Gerede?«
    »Gerede?« Ragna war zu ihr herumgefahren. In ihren dunklen Augen brannte ein Feuer, das Oda erschreckte, auch wenn sie es sich nicht anmerken ließ. »Du hasst den Mann, den du geheiratet hast, richtig? Du wünschst dir seinen Tod?« Ragnas Stimme hatte sich verändert, klang auf einmal hohl und dünn. » Bên zi bêna, bluot zi bluoda …« Sie lachte schrill. »Ist es das, was du möchtest? Gefällt dir das besser?«
    Noch bevor Oda antworten konnte, riss Eila die Tür auf, mit feuchten, wirren Haaren, nur im Unterkleid, das ihr halb über die Schulter gerutscht war.
    »Sie kommen!«, schrie sie. »Vaters Männer. Und seine Pferde. Ich hab sie von oben gesehen. Aber er ist nicht dabei.«
    Odas Hand fuhr zum Hals. Schwäche erfasste sie, eine warme, dunkle Welle, die sie beinahe zu Fall gebracht hätte. Aber es gelang ihr, noch im letzten Augenblick nach einem Hocker zu angeln und sich schwerfällig auf ihm niederzulassen.
    »Es könnte mir nichts gleichgültiger sein«, brachte sie schließlich hervor.
    Eila starrte sie ungläubig an.
    »Vater ist nicht dabei«, wiederholte sie. »Hast du mich richtig verstanden?«
    Jemand klopfte an die offene Türe.
    »Ich entbiete dir meinen Gruß, Herrin«, sagte Gissel, der Raymond schon seit vielen Jahren diente. »Die Kriegsknechte des Herrn sind mit seinen Pferden zurück.«
    »Und mein Mann?«, fragte Oda langsam, während Eila den Ankömmling ängstlich anstarrte. »Wo ist der? Wieso sagst du nichts? Er ist doch nicht etwa …«
    »Der Herr ist unterwegs in einer königlichen Mission. Nicht mehr lange, und er wird ebenfalls auf die Burg zurückkehren.«
    »Ich hasse dich, Raymond!«, flüsterte Oda, und ihre hellen Augen füllten sich mit Tränen. »Für alles, was du mir antust. Der Leibhaftige soll dich holen!«

FEBRUAR 946
TILLEDA
    Nach der Morgensuppe hatte Raymond beim Wall begonnen und von den Grubenhäusern aus den Ort erkundet. Ein paar Hunde folgten ihm und eine Hand voll zerlumpter Kinder, die respektvoll Abstand hielten. Die meisten Werkstätten waren leer. In der dritten Tuchmacherei, einem niedrigen Langbau, stieß er auf zwei Frauen, die neben einem Kohlebecken an einem großen Webstuhl arbeiteten. Sie wirkten so hohlwangig und müde, dass er auf eine Befragung verzichtete und gleich zu den beiden Eisenhütten weiterging, die ein ganzes Stück abseits standen. Ein älterer Mann klaubte die warme Luppe aus dem umgeworfenen Rennofen, während ein magerer jüngerer Eisenklumpen aussortierte.
    »Wart ihr hier nicht einmal viel mehr Leute?«, fragte Raymond.
    »Das waren wir, Herr.« Die Antwort klang respektvoll. Selbst sein grobes Wolfsfell täuschte sie offenbar nicht.
    »Und wo sind all die anderen abgeblieben?«
    Der Grauhaarige deutete mit dem Daumen hinauf zur Kapelle. »Zuletzt sind uns sogar die Särge ausgegangen. Hatten nicht mehr genug Zimmerleute, um neue zu machen. Da haben wir sie in ihren Hemden begraben. War schwer genug, den gefrorenen Boden tief genug aufzuhacken.«
    »Aber es gibt auch welche, die an dieser Not verdienen«, sagte der Jüngere. »Vor allem Hunold, dieser Hundsfott …«
    Ein Tritt des anderen brachte ihn zum Schweigen. Wortlos arbeiteten sie weiter.
    Raymond blickte auf ihre gebückten Rücken. Er konnte ihre Furcht spüren. Jetzt würde er kaum mehr aus ihnen herausbekommen. Er ging weiter, vorbei an einem Schuppen, wo Seile geknüpft, und einem zweiten, wo Leder bearbeitet wurde. Überall nur vereinzelte Menschen, alle

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