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Liebe ist ein Kleid aus Feuer

Titel: Liebe ist ein Kleid aus Feuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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der Hand.
    »Es scheint echt zu sein«, hörte er schließlich jemanden sagen.
    »Es ist echt. Soll ich hier Wurzeln schlagen – oder lasst ihr mich und mein Pferd endlich hinein?«
    Ein Torflügel schwang auf, und zu Raymonds Überraschung entdeckte er, dass der zweite Wächter ein halbwüchsiger Junge war, der ihn neugierig von oben bis unten musterte. Der Ritter hatte für diese Mission mit Bedacht auf die gewohnte Brünne verzichtet und trug nur Schichten von Wolle und Filz unter dem Fell; sein Lieblingsschwert aber hing an seiner Seite und beulte auf der Herzseite das Fell aus. Er sah, wie der Blick des Jungen zu der verborgenen Waffe glitt, und diese Aufmerksamkeit gefiel ihm.
    »Du bist ein Ritter?«, fragte der Junge.
    »Und die königliche Pfalz wird jetzt schon von Kindern bewacht?«, erwiderte Raymond in provozierendem Tonfall.
    »Ich bin fünfzehn!« Der Junge mit dem dichten dunklen Schopf reagierte empört. »Und starke Muskeln hab ich auch.« Er drehte seine rußigen Hände um und streckte sie dem Ritter entgegen. Nichts entging Raymond, weder der blaue Daumennagel noch die Schwielen, die sich auf den Ballen gebildet hatten.
    »Jedes scharfe Auge ist uns willkommen«, sagte der Riese. »Können wir uns vielleicht leisten, wählerisch zu sein? Seitdem die Seuche bei uns gewütet hat, müssen wir mit dem auskommen, was uns geblieben ist.« Er blieb stehen, musterte Raymond misstrauisch. »Was willst du überhaupt hier? Bist du vielleicht der neue Pfalzgraf?«
    »Braucht ihr denn einen neuen?«
    »Ja, denn der bisherige ist elend gestorben«, sagte der große Mann. »Zusammen mit seiner Frau und den beiden Söhnen, letzte Woche, wie so viele andere vor ihnen. Gunna behauptet, es liege am Korn. Es hat alle vergiftet, lässt sie tanzen und rasen, bis ihre Glieder schwarz werden und nach und nach abfaulen. Als wüte ein Feuer in ihnen, das sie von innen auffrisst.«
    »Und wer ist diese Gunna?«, fragte Raymond.
    »Meine Mutter«, erklärte der Junge. »Außerdem brauchst du einen Schmied. Soll ich dich zu ihm führen?«
    »Wie kommst du darauf?«, fragte Raymond.
    »Weil deine Stute klamm geht. Wette, sie hat bereits einen Abszess, der unter dem Huf wächst. Siehst du nicht, wie sie das rechte Bein belastet, um das linke zu schonen? Da war ein Stümper an ihrem Hinterhuf zugange.«
    »Er kennt sich aus«, sagte der Riese. »Du kannst ihm ruhig vertrauen, er weiß, wovon er redet. Sein Vater Algin ist Schmied – der beste weit und breit.«
    »Und du lernst bei ihm?«, fragte Raymond, obwohl er die Antwort bereits kannte.
    Ein knappes Nicken.
    »Dann hast du bestimmt auch einen Namen.«
    »Lando.« Klare graue Augen richteten sich auf Raymond. »Was ist, soll ich dich jetzt zu ihm bringen?«
    »Einen Augenblick noch.« Raymond wandte sich an den hünenhaften Wächter. »Ihr habt mich hereingelassen, aber ihr redet nicht darüber. Zu keinem, verstanden? So lautet der königliche Befehl.«
    Der Riese nickte. Schließlich nickte auch der Junge.
    »Ich verzieh mich auf meinen Turm«, sagte der Ältere, »bis die Ablösung kommt. Wirst du mir morgen Mittag wieder Gesellschaft leisten, Lando?«
    »Vielleicht.«
    Der Junge war schon auf dem Weg, der Raymond und ihn zunächst an einer Reihe schlichter strohgedeckter Katen vorbeiführte, die klaftertief in der Erde steckten.
    »Das sind die Grubenhäuser«, sagte Lando. »Nahe am Wall. Wo es am feuchtesten ist. Da leben die Hörigen. Von denen sind besonders viele gestorben.«
    »Wann ist die Seuche denn ausgebrochen?«
    »Bald nach der Jahreswende. Als es so bitterkalt war und Weizen und Emmer immer knapper wurden. Da haben viele begonnen, heimlich an die alten Roggenvorräte zu gehen. Die ersten haben schon bald über Gliederschmerzen geklagt und dass sie ihre Beine nicht mehr richtig heben können. Die schwarzen Flecken überall auf der Haut sind dann erst später dazugekommen. Meine Mutter hat alle gewarnt, aber sie wollten nicht auf sie hören.«
    Die niedrigen Häuser wurden mehr und mehr von ebenerdigen Pfostenbauten abgelöst, die höher waren, aber ebenfalls aus Lehm bestanden.
    »Hier leben die Freien«, sagte Lando. »Die Königsbauern. Aber selbst bei denen steht inzwischen jedes zweite Haus leer.«
    »Ist es noch weit bis zur Schmiede?«, fragte Raymond.
    »Nein, gleich dort drüben, siehst du? Dort, wo die Steinhäuser beginnen.«
    Der Bau wirkte gedrungen, als sie vor ihm standen, und es gab einen frisch gemauerten Kamin, aus dem Rauch strömte. Lando

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