Liebe ist ein Kleid aus Feuer
scheußliche Spiele zu lieben, Sire. Ist es nicht genug, was du der Mutter angetan hast? Soll jetzt auch noch die Tochter büßen?«
Der rote Mönch war aus der Bank geglitten und durch eine Nebentür verschwunden. Doch die Eiskönigin zog die gesamte Aufmerksamkeit auf sich.
»Wie schnell kann man doch von euch allen verachtet werden!«, sagte sie. »Erst geliebt und benutzt – und dann wie Abfall weggeworfen. Mit mir konntet ihr so umgehen, aber nicht mit meinem Kind. Eila ist keine Diebin. Und jeder, der das behauptet, nichts als ein feiger Lügner!«
Sie taumelte und hielt sich an einer Kirchenbank fest, da stürzte sich Raymond plötzlich von hinten auf den Strick. Er packte ihn, begann ihn zu würgen, bis der Überraschte nach Luft rang. Sigmar ging dazwischen und brachte Raymond mit einem kräftigen Magenstoß dazu, vom Strick abzulassen.
»Du hast schon einmal gebaumelt!«, schrie Raymond. »Ich werde dafür sorgen, dass du es wieder tust.«
Der Strick spuckte, atmete schwer, schien aber dennoch unbeeindruckt.
»Wirst du dafür auch wieder deine Burg anzünden?«, sagte er mühsam, aber deutlich vernehmbar. »Und, wie du es schon einmal getan hast, zuschauen, wie deine Frau und dein Kind verbrennen? Wie bequem, einen Sündenbock dafür zu finden – nachdem man sich selber abgesetzt hat!«
»Was fällt dir ein!« Raymond wollte ihm erneut an die Gurgel, doch Sigmars eiserner Griff hielt ihn davon ab. »Du hast als mein Verwalter bei deinem Leben geschworen, niemals …«
»Manche Schwüre muss man brechen«, sagte der Strick. »Ich habe lang genug für alles gebüßt.«
»Du – und gebüßt? Du weißt ja nicht einmal, was dieses Wort bedeutet!« Raymonds Stimme klang wie ein Jaulen. »Zu wissen, dass sie tot sind …«
Die Seitentür öffnete sich. Der rote Mönch kehrte zurück, hinter ihm ein Mann und eine Frau.
»Die Wege des Herrn sind unerforschlich«, sagte er. »Manchmal stehen sogar Tote wieder auf.«
Der Mann war jung, hatte eine Hakennase und dichtes dunkles Haar. Die Frau war älter, ihr schwarzes Haar von unzähligen Silberfäden durchzogen. Früher musste sie eine Schönheit gewesen sein, doch entstellten hässliche Brandnarben ihre linke Gesichtshälfte.
Raymond erblasste, als er die beiden sah. Brachte kein Wort mehr heraus.
»Liebe ist ein Kleid aus Feuer«, sagte die Frau. »Das hast du mir damals ins Ohr geflüstert, in unserer Hochzeitsnacht. Damals wusste ich noch nicht, wie tief sie brennen kann, wie vernichtend.«
»Wer bist du?« Der König ergriff das Wort.
»Isabeau von Merles«, sagte sie mit einer anmutigen Verneigung in seine Richtung. »Die rechtmäßige Ehefrau dieses Ritters. Und dieser junge Mann ist unser gemeinsamer Sohn Philippe.«
»Aber ihr seid doch tot«, flüsterte Raymond. »Vor vielen Jahren gestorben. Das schreckliche Feuer! Niemand hätte ihm lebendig entkommen können …«
Mit flackerndem Blick wandte sich Oda zu ihm um.
»Sie – deine Ehefrau?«, sagte sie. »Und ich, wer soll dann ich sein …«
»Seine Buhlschaft!«, gellte Pater Johannes. »Du kannst deinen Hochmut für immer vergessen, Oda! Dieser alte Mann hat dich zur Metze gemacht – und deine rote Tochter zum Bankert!«
Wie vor ein paar Tagen im Traum spürte Eila wieder die Krallen in ihrer Haut und den spitzen Raubtierschnabel, der sich tief in ihr Herz bohrte. Und dennoch zog es sie mit aller Macht zu ihm hin, dem grauen Wolf, der so alt und elend aussah, als würde er sich im nächsten Moment zum Sterben hinlegen.
»Vater!«, sagte sie. »Vater, ich …«
»Das hab ich nicht gewusst!« Raymond rang nach Luft, zerrte an seinem Kragen, als würde er im nächsten Moment ersticken. »Ich dachte, sie sind tot, alle beide …«
»Warte!« Oda hatte die Kutte des roten Mönchs zu fassen bekommen und ließ sie nicht mehr los. »Wenn ich schon untergehe, dann du mit mir!«, schrie sie. »Weißt du, Leif, warum ich damals die Metze dieses alten Ritters werden musste?« Ihre Augen hatten jede Farbe verloren. »Weil kein anderer als du mich gezwungen hat!«
»Hört nicht auf sie! Sie hat den Verstand verloren …« Es gelang Johannes nicht, sich von ihr zu befreien. Oda hatte sich förmlich festgebissen.
»Du hast mich nur benutzt, lüstern mit mir gespielt, mich geschwängert und schließlich im Stich gelassen. Gott habe dich gerufen!« Sie lachte höhnisch auf. »Damals warst du noch Leif von Langenstein – und nur zu feige, um die Verantwortung für dein Handeln zu
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