Liebe ist ein Kleid aus Feuer
gesagt, was ich dir sagen musste. Jetzt aber geht es um Eila, Sire, allein um Eila. Du musst sie auf der Stelle freilassen. Eila ist unschuldig. Ich kann dir beweisen, dass sie nicht …«
»Keiner rührt sich von der Stelle!« Mit gezücktem Schwert war Sigmar hereingestürmt. »Zur Seite, Sire! Mit diesen beiden Kreaturen hier werde ich allein fertig.«
»Siehst du vielleicht irgendwo ein Schwert, Sigmar?«, fragte Raymond. »Also beruhige dich! Ich bin ohne Waffen gekommen.«
»Dann du, Oda – Dolch weg, und zwar schnell!«
Oda ließ den Dolch sinken. Scheinbar gehorsam schob sie sich von Sigmar ein Stück weg. Plötzlich aber veränderte sich ihr Gesicht. Sie machte einen Satz, holte aus und wollte sich mit erhobener Waffe auf Otto stürzen.
Raymond, der dies offenbar vorausgesehen hatte, warf sich dazwischen – genau im rechten Augenblick, um sie vor Sigmars Schwert zu schützen, das sich nun statt in ihren in seinen Leib bohrte. Der Graf fiel sehr langsam zu Boden. Seine Augen wurden glasig, Blut sprudelte aus seiner Leiste, ein dünner Strahl, kein Rinnsal.
»Hast gut bei mir gelernt«, brachte er mühsam hervor.
»Raymond!« Oda ließ den Dolch fallen, kniete neben ihrem Mann, versuchte, seinen Kopf auf ihren Schoß zu betten.
»Lass ihn!«, sagte der König. »Du vergrößerst nur seine Schmerzen.«
»Raymond, du hast mein Leben gerettet«, sagte sie unter Tränen, »aber ich will doch mit dir gehen!«
»Endlich?«, brachte er leise hervor.
»Da ist noch so vieles, was ich dir sagen wollte. Unsere toten Söhne...«
»Ich hätte dich niemals zwingen dürfen.« Sein Gesicht hatte jede Farbe verloren, war aschgrau und steif. Die Brust hob und senkte sich nur noch unmerklich. »Und hätte ich gewusst, dass Philippe noch am Leben ist …« Speichel rann aus seinem Mund.
»Hör mir zu!« Jetzt schrie sie. »Du musst wissen, was ich getan habe. Den jüngsten hab ich sogar ge…«
Raymonds Kopf sackte zur Seite.
Voller Panik schaute Oda zu den beiden Männern auf. »Er hört mich nicht mehr. Er ist auf einmal so weit weg.«
»Seine Seele fliegt direkt in die Arme Gottes«, sagte der König. »Sie werden sie halten und schützen.«
»Raymond!« Sie begann ihn zu rütteln. »Verlass mich nicht! Lass uns gemeinsam gehen, zu unseren toten Kindern …«
»Hilf ihr auf!«, sagte Otto zu Sigmar. »Sie ist von Sinnen. Wir bringen sie weg von hier.«
»Nein!« Mit einem Schrei riss Oda sich los, bückte sich, packte den Dolch und stieß ihn sich kraftvoll ins Herz. Ihre hellen Augen weiteten sich wie in maßlosem Erstaunen. Ihr Mund begann schief zu lächeln. Dann sackte sie zusammen, erschlaffte und rührte sich nicht mehr.
AUGUST 952
AUF DER FLUCHT
Als ein Gewitter endlich Abkühlung brachte, atmeten Eila und Lando auf. Sie hatten Unterschlupf in einer Kapelle am Waldrand gefunden, ein halb zerfallener, kleiner Steinbau, dessen Dach aber noch intakt war, bis auf eine Stelle, wo der Regen hereinprasselte. Sogar die Pferde hatten sie mitgenommen, aus Angst, ein Blitz könne sie draußen erschlagen.
Nachdem Blitz und Donner endlich schwiegen, schien die Landschaft draußen wie reingewaschen. Der Wald hatte sein dunkles Grün zurück, wirkte nicht mehr so trocken und staubig wie auf dem bisherigen Weg; die Wiesen sahen wieder saftiger aus und boten genügend Futter für die beiden Tiere.
Mit ihrer eigenen Nahrung war es schwieriger. Sie aßen Beeren und Pilze, hin und wieder Fische, die sie am Feuer brieten, sofern Lando mit seiner einfachen Angel Glück gehabt hatte. Manchmal bekamen sie unterwegs Eier geschenkt oder etwas Milch, aber sie vermieden nach Möglichkeit größere menschliche Ansiedlungen, um eventuelle Verfolger nicht auf sich aufmerksam zu machen. Der Hunger war ihr ständiger Begleiter geworden, aber sie scherten sich nicht darum.
»Schade, dass meine Siv nicht hier ist«, sagte Eila manchmal, wenn ihnen der Magen allzu sehr knurrte. »Die könnte uns jetzt ein saftiges Kaninchen schlagen.«
»Du vermisst es … dein früheres Leben?«, fragte Lando.
»Manchmal«, gab Eila zu. »Nicht das am Hof, das keinen Tag. Aber mit meinem Vater durch die Wälder zu streifen …« Sie verstummte, biss sich auf die Lippen. Er musste nicht wissen, dass ihr jetzt öfter auch die Burg in den Sinn kam. Damals war sie ihr wie ein Gefängnis erschienen, aus dem sie nur hatte fliehen wollen; jetzt, wo Eila wusste, dass sie für immer verloren war, dachte sie mit zärtlicher Wehmut an Scharzfels.
»Er
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