Liebe ist ein Kleid aus Feuer
zu meinem Weib«, sagte Lando. Der neue, strahlend helle Silberreif war trotz des Neumonds gut zu sehen. »Ein Priester soll unseren Bund später segnen. Vielleicht schon in der Stiftskirche von Gandersheim. Aber für mich sind wir schon jetzt Mann und Frau.«
Eila begann zu weinen, doch er küsste ihre Tränen fort.
»Höchste Zeit, das hässliche alte Ding abzulegen«, sagte er. »Man muss sich ja schämen, dich so herumlaufen zu lassen!«
Sie verbrachten eine Nacht voller Lust und Seligkeit, obwohl sie am Morgen schon sehr früh aufwachten, weil es empfindlich kühl geworden war. Ausgehungert, aber fröhlich saßen sie auf.
»Da ist ja die Gande!«, rief Eila nach einer Weile. »Die führt uns direkt zu Rose.«
Eine warme Septembersonne vertrieb die morgendliche Kühle, und auf einmal schienen auch die Pferde zu spüren, dass ein Stall mit ausreichend Stroh und Heu auf sie wartete. Eilas Herz begann schneller zu schlagen, als die Stiftsgebäude vor ihnen auftauchten. Schöne und weniger angenehme Erinnerungen strömten auf sie ein.
»Du wartest besser im Stall«, sagte sie. »Lass mich als Erstes allein zu Rose gehen und sie vorbereiten.«
»Rose würde uns immer aufnehmen«, sagte er. »Das weiß ich. Aber die anderen Schwestern? Was werden sie zu meiner Anwesenheit sagen?«
»Sie haben dich schon einmal beherbergt. Sie werden es wieder tun.«
Dennoch stand sie mit zitternden Knien vor der Pforte. Almut öffnete ihr und machte große Augen, als sie sie erkannte.
»Ich möchte zu Rose«, sagte Eila.
Die Tante ließ sie eintreten; Eila eilte geradewegs ins Scriptorium. Rose sah nicht einmal auf, während die Feder in ihrer Hand schnell über die Zeilen glitt. Trotz ihrer Aufregung musste Eila lächeln. Nicht nur die Hände der Freundin waren schwarzbraun gefärbt, als hätte sie sie im Tintenfass gebadet; sogar auf ihrer Wange prangte ein großer brauner Fleck.
»Ich brauche deine Hilfe, Rose!«, sagte Eila. » Wir brauchen deine Hilfe!«
Rose ließ die Feder fallen, lief zu ihr und umarmte sie herzlich.
»Ich hab geträumt, du würdest kommen«, sagte sie und wollte Eila nicht mehr loslassen. »Aber dann hab ich mir gesagt, es war bestimmt nur meine Sehnsucht, die mir diesen Traum geschickt hat.«
»Ich bin nicht allein hier«, sagte Eila, »das musst du wissen. Lando wartet im …«
»Du hast Lando mitgebracht? Ist er wieder gesund?«
»Ja«, sagte Eila. »Aber etwas Schreckliches ist geschehen, Rose. Der König verdächtigt mich, eine kostbare Reliquie gestohlen zu haben. Ich war sogar eingekerkert, aber Sigmar hat mir zur Flucht verholfen. Wenn er mich allerdings findet, bin ich dran, das hat er gesagt. Du musst uns verstecken, Rose! Du allein kannst uns retten!«
»Eine kostbare Reliquie?«
»Die Zunge des Täufers.«
Rose trat einen Schritt zurück. »Aber das ist doch ganz und gar unmöglich!«
»Natürlich ist es das! Doch niemand will mir glauben, allen voran der König.« Eila wurde ungeduldig. »Lass uns zu Lando gehen! Und dann gleich zu Bihilit. Ohne ihre Erlaubnis werden wir hier nicht bleiben können.«
»Nein«, sagte Rose. »Die Zukunft heißt Gerberga. Und stell jetzt bitte keine langen Fragen, Eila, sondern mach einmal, was ich dir sage!«
Es war warm in Stall und dämmrig, sodass Lando den Mann zuerst nicht entdeckt hatte. Sein Atmen jedoch verriet den anderen, sein aufgeregtes, stoßweises Atmen, das wie eine Klinge die gleichmäßigen Atemzüge der Tiere durchschnitt.
Dann sah ihn Lando: den kahlen Kopf, den entstellten Hals.
Er griff nach seinem Messer. Allein, es in der Hand zu halten, machte ihn sicherer. Er wusste sofort, weshalb der Strick gekommen war. Um das zu vollenden, was er in der Kapelle der bischöflichen Feste begonnen hatte. Aber noch fehlte Eila, das eigentliche Ziel seiner Verfolgung.
Aufregung schnürte Lando die Kehle zu. Mit dem Silberring hatte er Eila im Wald zur Frau genommen. Jetzt konnte er ihr beweisen, dass er ein ganzer Mann war.
»Ich weiß, dass du da bist«, rief Lando und war froh, dass seine Stimme nicht zitterte. »Komm heraus und zeige dich!«
Der Strick rührte sich nicht.
»Mir war klar, dass du feig bist!«, sagte Lando. »Aber nicht, wie feige.«
»Halt doch den Mund, du Dummbatzen!« Breitbeinig stand der Strick auf einmal vor Lando. »Wenn du gleich sterben willst – meinetwegen!«
Allerdings hatte er nicht bedacht, dass der Stall einen zweiten Eingang besaß, durch den sich Eila und Rose nun näherten. Als er ihre
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