Liebe ist ein Kleid aus Feuer
wird immer dein Vater bleiben«, sagte Lando. »Und du seine Tochter. Das weiß jeder, der euch beide nur einmal zusammen gesehen hat.« Er lächelte. »Und wenn alles gut geht, bekommst du ja noch einen Vater dazu.«
Eila schwieg. An Algin und Gunna zu denken, bereitete ihr noch immer Unbehagen. Würden die beiden sie nicht jetzt erst recht für Landos Schicksal verantwortlich machen? Ohne sie wäre der Geliebte jetzt nicht auf der Flucht und damit in großer Gefahr.
Doch die Tage in den Wäldern und die Nächte in Scheunen oder unter freiem Himmel schenkten ihnen auch neue Kostbarkeiten. Nach der Scheu der ersten Tage begannen Eila und Lando sich gegenseitig kennen zu lernen, sie erforschten ihre Körper ohne Hast, ohne Angst. Die Freude jener Johannisnacht kehrte zurück, in veränderter, tieferer Form. Manchmal mussten sie sich nur ansehen, um ein jubelndes Glücksgefühl zu empfinden, dann wieder waren es ihre Lippen und ihre Hände, die sich dieses gegenseitig schenkten.
Sie sehnte sich nach seinem Körper und lernte ihn zu begehren, von Tag zu Tag ein Stückchen mehr; und dass sie spürte, wie stark auch seine Lust wuchs, machte sie frei und stolz. Manchmal konnten sie es kaum erwarten, bis es Abend wurde und sie sich im Schutz der Nacht wieder lieben konnten, manchmal genossen sie auch die träge Wärme des frühen Nachmittags, wenn sie einen Platz fanden, an dem sie sich ungestört fühlten.
Einmal wären sie dabei fast überrascht worden. Es gelang ihnen gerade noch, sich tief ins Gras zu drücken, als die Hufschläge einer größeren Reiterschar an ihnen vorbeidonnerten und sie inständig hofften, dass das Spätsommergrün hoch genug stand, um sie zu verbergen.
Dieser Vorfall war es wohl, der Lando zum Reden brachte.
Er begann unvermittelt und ohne dass Eila ihn dazu genötigt hatte, erzählte vom Rammelsberg, von Jon, Sepha und Willem, von Andres und Reusin, von seiner Angst, seinem Schmerz. Schwer wie Felsbrocken fielen die Worte aus seinem Mund, er brauchte viele Pausen, ehe er schließlich zu dem Tag des Streits gelangte.
»Könnte ich das rückgängig machen, ich würde es tun«, sagte er. »Aber so werde ich für immer damit leben müssen.«
Er schonte sich nicht, erzählte weiter von den Albträumen, dem Urteil der Knappschaft und der Angst, im dunklen Leib des Bergs verenden zu müssen.
»Kommt der Berg dich noch immer nachts besuchen?«, fragte Eila voller Anteilnahme. Sie wagte nicht, Lando zu berühren, weil sie spürte, dass er bei diesem schwierigen Akt ganz für sich sein musste.
»Manchmal«, sagte er. »Aber viel seltener als früher. Ich schicke ihn dann weg und sage ihm, dass er seine Macht über mich verloren hat. Dass ich lebe und glücklich bin.«
Sie liebten sich an diesem Abend auf noch einmal neue Weise, neugierig, offen, voller Leidenschaft und Hingabe, über sich ein strahlendes Sternenzelt, in sich die Gewissheit, einander für immer gefunden zu haben. Als Lando schließlich still in ihr lag und Eila ihn lange so innig gehalten hatte, als wolle sie ihn nie mehr loslassen, begann sie plötzlich glucksend zu lachen.
»Eigentlich hat es in der Latrine mit uns begonnen«, sagte sie. »Weißt du noch, Lando?«
»Nein, viel früher!«, widersprach er.
»Wann dann?«
»Beim ersten Blick«, sagte Lando. »Als wir damals zu euch auf den Burghof gefahren kamen.«
»Aber wie wird es weitergehen?«, fragte sie. »Wir haben alles verloren, mein Liebster. Wo sollen wir leben und wovon?«
Er löste sich sanft von ihr. »›Deine wundervollen Hände werden dich noch weit bringen‹. Das hast du zu mir gesagt, in jener Nacht in Kloster Corvey. Hast du das etwa schon vergessen?«
»Nein«, sagte Eila. »Ich habe nichts vergessen.«
SEPTEMBER 952
AUF DEM WEG NACH NORDEN
Er war nicht der, den der König geschickt hatte, aber er wusste doch als Einziger, wo er sie finden würde. Der Gedanke an Rache hatte sich in ihm festgefressen, eine schwarze Spinne, die eins mit ihm geworden war, jederzeit bereit, ihr Gift zu verspritzen.
Der plötzliche Tod Raymonds hatte alles zerstört, ihn um die lang ersehnte Ernte gebracht. Wen scherten noch die Untaten eines Bigamisten, wenn er nicht mehr am Leben war? Er hatte den grauen Wolf nicht sterben sehen wollen – sondern leiden.
Und nun war auch noch Oda tot. Der Hof gab zwar keine Einzelheiten über ihr Ende preis, aber hatte er nicht genug Vorstellungskraft, um sich dieses dennoch auszumalen?
Vom roten Mönch war keine weitere
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