Liebe ist ein Kleid aus Feuer
Unterstützung zu erwarten. Pater Johannes hatte den König gebeten, sich aus der Hofkapelle zurückziehen zu dürfen, um hinter den Mauern von Kloster Corvey Buße zu tun.
Nicht einmal Rochus hatte er länger ertragen und ihn mit einem ordentlichen Batzen aus seinen Diensten entlassen. Ein Spitzbub wie der würde stets sein Auskommen finden. Jetzt gab es nur noch einen, auf den er sich verlassen konnte: sich selber.
Der Strick schonte weder sich noch seinen Gaul. Machte nur Rast, wenn es unbedingt sein musste; schmeckte kaum, was man ihm vorsetzte, sondern aß und trank lediglich, um neue Kräfte zu sammeln. Allein Rache trieb ihn voran, weiter, immer weiter. Sollte der andere Verfolger sich doch weiterhin im falschen Glauben wiegen, er würde die Flüchtigen auf Burg Scharzfels finden!
Es gab nur einen einzigen Ort, der für Eila und den Sohn des Schmiedes als Ziel infrage kam, und der Strick würde alles daransetzen, um vor ihnen dort zu sein.
Es kam ihm zugute, dass das Wetter sich verändert hatte. Die drückende Sommerschwüle war endlich frischem, heiterem Wetter gewichen, das den Herbst bereits ahnen ließ. An manchen Morgen machte der Tau das Werk der Spätsommerspinnen sichtbar, und so kam er sich auch vor: eine riesige, giftige Spinne, die ihr klebriges Netz ausgelegt hatte.
Für die Äpfel, die reif und rotwangig an den Bäumen hingen, hatte er keinen Blick, auch nicht für die ersten Herbstzeitlosen, die entlang des Weges ihre Blüten öffneten. Sprach jemand ihn an, so antwortete er so knurrig, dass der andere verstummte und schnell das Weite suchte. Niemals hatte er sein erschreckendes Äußeres, das alle abstieß, mehr genossen als auf diesem brennenden Höllenritt.
Wie der blanke Tod kam er sich vor. Der Narbenmann, unterwegs, um Angst und Schrecken zu bringen.
In seinen Gedanken malte er sich tausenderlei verschiedene Möglichkeiten der Rache aus, aber langsam begann sich eine Idee herauszuschälen, die ihm besser gefiel als alles andere. Der jähe Tod des Grafen hatte ihn um seine Genugtuung gebracht. Jetzt wollte er Eila bis zum bitteren Ende leiden sehen – die Tochter, die Raymond von Scharzfels niemals gehabt hatte.
SEPTEMBER 952
STIFT GANDERSHEIM
Irgendwann hatten sie doch damit begonnen, die Tage zu zählen. Es war Landos Idee gewesen, sie in einen dünnen Ast mit seinem Messer einzuschnitzen, und je mehr Kerben es wurden, desto sicherer begann Eila sich zu fühlen. Vierundzwanzigmal war die Sonne auf- und wieder untergegangen, und niemand hatte sie bisher aufgehalten, keiner sie eingeholt. Vielleicht war der Ort, der für sie immer mit Rose verbunden sein würde, doch der sichere Hort, den sie sich ersehnten.
Als die Landschaft sich zu verändern begann und die heimatlichen Bilder und Gerüche immer stärker wurden, begann eines Nachts auch Eila über das Vergangene zu reden. Für sie war es mindestens so schwer, wie es für Lando gewesen war, aber er sollte und musste doch wissen, was zwischen ihr und Sigmar vorgegangen war.
Er wurde sehr still, während sie sprach, rückte ein Stück von ihr ab. Sie musste sich alle Mühe geben, um diese plötzliche Distanz auszuhalten, aber es gelang ihr. Lando hielt den Kopf gesenkt, bis sie fertig war, dann sah er sie plötzlich an.
»Und wenn dein Vater nicht die Seiten gewechselt hätte, hättest du Sigmar geheiratet?«
Sie hob den Kopf, hielt seinem fragenden, verletzten Blick stand.
»Wahrscheinlich«, sagte sie. »Aber deinen Ring hätte ich trotzdem nicht abgelegt – niemals! Ebenso wenig, wie ich dich je aus meinem Herzen reißen könnte. Damit hätte er leben müssen.«
Der Eisenring war während der Flucht nicht schöner geworden. Er hatte Rost angesetzt und wirkte inzwischen eher wie eine Fessel an ihrem Finger als ein Schmuckstück.
»Dann wird es Zeit, dass du den Ring endlich ablegst.«
»Das kannst du nicht von mir verlangen, Lando!« Sie suchte nach den richtigen Worten. »Ich wollte doch bloß ehrlich zu dir sein, dir nichts von dem verheimlichen, was sich in meinem Herzen abspielt. Aber niemals wollte ich dich verletzen!«
Er nahm ihre Hand, zog scheinbar ungerührt an dem Ring. Eilas Finger waren im Lauf dieser kargen Wochen um einiges dünner geworden. Der Eisenring ließ sich ohne Schwierigkeiten abziehen.
Eila wagte kaum noch zu atmen, so nackt kam ihr die Hand auf einmal vor. Lando zog sie eng zu sich heran und küsste sie. Auf einmal spürte sie etwas Kühles auf ihrer Haut.
»Mit diesem Ring nehme ich dich
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