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Liebe ist ein Kleid aus Feuer

Titel: Liebe ist ein Kleid aus Feuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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seltsames Gefühl durchflutete sie, lustvoll und schmerzvoll zugleich, und sie spürte, wie sich ihr Innerstes zusammenzog.
    »Er trinkt deine Milch, doch seine Brüder haben sie niemals kosten dürfen.«
    Das war ein Raunen, das schnell lauter wurde, bevor es aus jeder Ecke der Kemenate zu kommen schien.
    »Er stiehlt, was ihnen zugestanden hätte.«
    Unter großer Anstrengung öffnete sie die Lider, sah den schwarzen Flaum, den runden kleinen Kopf, den Mund an ihrer Brustspitze.
    »Du gibst ihm alles – bis er dich bis zum letzten Tropfen ausgesaugt hat. Wie sein Vater, der alte graue Wolf …«
    Ihre zärtlichen Gefühle für das Kind erstarben, während die Hitze wie ein Brand in ihr raste. Tränen rannen aus ihren Augen und mit ihnen das letzte bisschen Flüssigkeit, das ihr Körper noch zu bieten hatte.
    »Aber du kannst dich von ihnen befreien, von allen beiden«, sagte die Stimme. »Dem Wolf und seiner lästigen Brut. Und du weißt auch genau, wie du es zu tun hast.«
    Oda entzog dem Kind die Brust. Für einen Augenblick trafen sich ihre Blicke und ruhten ineinander, bis sein Mund sich weinerlich verzog. Bevor er laut losheulen konnte, griff sie nach dem Kissen, das neben ihr lag, und drückte es ihm fest auf das Gesicht.
    Die kleinen Beinchen strampelten zuerst noch, dann war alles still.

    Es war Rose, die als Erste an der Tür war und Gunnas Besuch ankündigen wollte, nachdem Eila es zuvor schon ein paarmal vergeblich versucht hatte. Jetzt stand die Tür offen; das Feuer im Kamin war zu Glut heruntergebrannt. Oda lag regungslos im Bett, neben sich ein großes, weißes Kissen.
    Die Wiege war leer; nirgendwo eine Spur von Ragna.
    Auf Zehenspitzen ging Rose zum Bett, aber Oda schlief nicht, sondern starrte mit halb geöffneten Augen zur Decke. Das Armband, das sie immer getragen hatte, lag zerrissen neben ihr auf dem Boden.
    Das Mädchen spürte sofort, dass etwas Schreckliches geschehen sein musste. Ohne lange nachzudenken, griff sie nach dem Kissen und hob es hoch. Johannes lag darunter und schien zu schlafen, doch der kleine Brustkorb hob und senkte sich nicht mehr.
    Rose berührte seine Stirn. Kalt war sie, viel zu kalt.
    Schon hörte sie die Stimmen der anderen auf der Treppe. In Panik schaute sie sich um. Keiner durfte sehen, was sich hier zugetragen hatte!
    Sie berührte die silberne Lunula auf ihrer Brust, und plötzlich wusste sie, was zu tun war. Sie nahm das Kind und legte es in die Wiege zurück. Oda verfolgte ihr Tun mit blanken, leeren Augen, da stand schon Malin auf der Schwelle, gefolgt von Eila und Gunna.
    »Die Frau des neuen Schmieds will unbedingt zu dir, mein Täubchen. Sie hat auch ein Kleines, gerade mal ein paar Monde jung. Nur deshalb hab ich ihr erlaubt, dich zu stören.«
    Odas Lider flatterten.
    »Soll ich dir den Kleinen geben, jetzt, wo diese Hexe das Feld geräumt hat? Bodo hat sie in Richtung Wald laufen sehen. Was für ein Glück, dass Ragna sich endlich davongemacht hat!« Sie wartete auf Antwort, erhielt aber keine. Malin entschied sich, auf eigene Faust zu handeln. »Gut, mein Täubchen, dann bring ich dir jetzt Johannes, und ihr könnt Gunna und ihr Kleines gemeinsam begrüßen.«
    Sie ging zur Wiege, griff resolut hinein und erstarrte, als sie das Kind hochhob.
    »Was ist mit ihm?«, rief Eila angstvoll. »Es fehlt ihm doch nichts?«
    »Er ist kalt«, flüsterte Malin. »Viel zu kalt. Beim gütigen Gott – unser kleiner Liebling ist tot.«

MAI 946
AUF DEM FELDZUG NACH FRANZIEN
    Sie hatten das Lager kurz vor Einbruch der Nacht aufschlagen müssen, und als am Morgen die Sonne aufging, lag Tau auf den Zelten. Binnen Kurzem würden König Ottos Truppen die Pfalz zu Frankfurt erreicht und damit schon einen guten Teil der Wegstrecke hinter sich gebracht haben, sofern unterwegs keine größeren Hindernisse auftauchten. Bisher waren es nur Kleinigkeiten gewesen, die sie aufgehalten hatten, aber jeden Tag konnte etwas anderes passieren: eine Achse der unzähligen Wagen brechen, auf denen Ausrüstung und Verpflegung transportiert wurden, Pferde sich verletzen, irgendjemand etwas Falsches essen oder trinken und krank werden. Erst der Abend stellte unter Beweis, was der Morgen noch strahlend verheißen mochte.
    Sechs Wochen war es schon her, seit der Tross Quedlinburg verlassen hatte, und allmählich begann sich eine gewisse Gereiztheit unter den Männern breit zu machen, denn der König schien es alles andere als eilig zu haben, sein Reich zu verlassen. Offenbar war es ihm ein

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