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Liebe ist ein Kleid aus Feuer

Titel: Liebe ist ein Kleid aus Feuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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lief davon. Ein Windstoß fuhr ihr unter den Rock und ließ ihn gegen die Beine klatschen. Sie spürte die Sonne auf den Schultern, im Nacken, auf den bloßen Armen. Ihre Haut spannte schon leicht, und spätestens am Abend würde sie von Kopf bis Fuß tausendundeine neue Sommersprossen zählen können, aber das war ihr jetzt egal.
    Im Laufschritt nahm sie die Treppen zur Schreibstube, wo sie Bruder Rochus und Rose bei einer Extralektion vermutete, doch als sie übermütig die Tür aufriss, war alles leer. Der Platz der Freundin tadellos aufgeräumt wie stets, die Feder frisch geschnitten, das kleine Tintenhorn aufgefüllt, das dünne, mehrfach abgeschabte Pergament Zeile für Zeile mit zierlichen, schwungvollen Buchstaben bedeckt.
    »Nullus amor tanti est« , las sie, als sie sich neugierig darüber beugte. Rose schrieb doch tatsächlich die Verse dieses Ovids ab, wie der Mönch es ihnen zur Übung empfohlen hatte, auch wenn sie die Zeilen noch nicht übersetzen konnten! Aber vielleicht verstand Rose bereits, was das alles hieß, und behielt es lieber für sich. Ein Stich durchfuhr Eila bei diesem Gedanken. Obwohl sie nach außen stets tat, als sei es ihr gänzlich gleichgültig, spürte sie doch zu ihrem Missfallen, wie der Wissensabstand zwischen ihnen sich von Tag zu Tag vergrößerte.
    Sie strich sich eine Strähne hinters Ohr und richtete sich kerzengerade auf. So dumm, wie die beiden vermutlich glaubten, war sie längst nicht. Das Wort amor zum Beispiel war ihr bestens geläufig, und es hier nicht nur zu lesen, sondern es halblaut vor sich hin zu sagen, genügte, um ihr heißes Rot ins Gesicht zu treiben.
    Liebe, dachte sie, liebe, liebe Liebe, und beschloss, nun endlich dorthin zu gehen, wohin es sie schon seit dem Aufwachen mit aller Macht zog.

    »Was willst du denn hier?« Oda saß auf dem Bett und beäugte das Mädchen mit den schmutzigen Fingerkuppen voller Misstrauen. »Wieso schleichst du dauernd um mich herum?«
    »Brauchst du etwas? Ich dachte, ich könnte dir vielleicht Gesellschaft leisten.«
    Ein kurzes, schnappendes Lachen.
    »Was ich brauche, kannst du mir gewiss nicht geben. Und für tintenverschmierte Rotznasen wie dich hab ich keinerlei Verwendung. Also?«
    Rose ließ sich nicht entmutigen. »Schlehenrinde geht so schlecht wieder ab«, sagte sie. »Nicht einmal mit Bimsstein. Und wenn man aus Versehen zu fest scheuert, dann bluten die Finger, und man kann am nächsten Tag die Feder nicht mehr richtig halten. Aber wenn man viel schreiben möchte, dann braucht man eben auch viel Tinte. Und die will erst einmal gekocht sein.«
    »Wenn das deine einzigen Sorgen sind«, sagte Oda.
    Irgendjemand, Malin vermutlich, hatte große Leinentücher mit Wasser getränkt und vor die Fenster gehängt, damit es in der Kemenate möglichst lange kühl blieb. Diese bewegten sich im leichten Wind wie träge, feuchte Segel. Einmal, als sie noch sehr klein war, hatte der Vater sie mit ans nördliche Meer genommen. Rose erinnerte sich noch an den schier endlosen Ritt durch die Wälder nach Norden, und in ihren Träumen verspürte sie noch manchmal den Geschmack von Salz auf den Lippen, aber das war alles so lange her, dass es ihr inzwischen wie ein Traum vorkam.
    »Ich könnte dir die Haare kämmen«, schlug Rose unverdrossen vor. »Oder deine Füße mit Ringelblumensalbe einreiben. Ich kann dir aber auch etwas vorlesen. Bruder Rochus hat uns lateinische Gedichte gegeben. Willst du sie hören?«
    »Wo steckt der eigentlich? Ist er mit den anderen auf dem Feld?«
    »Malin hat ihn gebeten, nach den Metfässern zu sehen«, sagte Rose. »Seitdem hab ich ihn nicht mehr gesehen. Hier ist, was ich meine.« Sie berührte die Rolle, die an ihrem Gürtel hing. »Die Gedichte sind sehr schön. Ich hab einige abgeschrieben, fehlerfrei, wie ich hoffe.«
    »Was spielt das für eine Rolle? Die paar Brocken Latein, die mir einmal geläufig waren, hab ich längst vergessen«, sagte Oda. »Das war in meinem ersten Leben. Als ich noch jung und glücklich war und große Träume hatte.«
    Schwerfällig stand sie auf, ging zur Wiege, die noch immer neben ihrem Bett stand, und legte ihre Hand auf das Holz. Als sie sich wieder zu Rose umdrehte, war ihr Gesicht plötzlich leer und grau, als sei an diesem heißen Sommertag unversehens schmutziger Schnee darauf geschmolzen.
    »Ich kann mich an nichts mehr erinnern«, sagte sie leise. »An gar nichts mehr. Das ist es, was mich halb wahnsinnig macht. Nur noch an diesen Durst, dieses Brennen, das

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