Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Liebe ist ein Kleid aus Feuer

Titel: Liebe ist ein Kleid aus Feuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
Vom Netzwerk:
warten«, sagte die Gefährtin. »Geh schon mal vor! Ich will Bruder Rochus noch etwas fragen.«
    Sie wartete, bis Eila verschwunden war, dann zog sie ein kleines, zusammengefaltetes Stück Pergament aus einer Gewandfalte und reichte es ihm.
    »Was ist das?«, sagte er.
    »Lies!«, bat sie.
    Sein Auge flog über die Zeilen.
    »Woher stammt das?«, fragte er.
    »Von hier.« Rose tippte mit dem Finger auf ihre Brust. »Es kommt von da drinnen, und es wollte unbedingt hinaus. Gefällt es dir?«
    »Es ist eine traurige Geschichte«, sagte er, »die du da beschreibst, und wenn du sie so erlebt hättest, müsste man sich vielleicht Sorgen um dich machen.« Sein Blick wurde schärfer.
    »Es ist so etwas wie eine Legende«, sagte Rose, »nicht mehr und nicht weniger. Eigentlich wollte ich sie auf Latein erzählen, wie es sich gehören würde für solche Geschichten, aber das war leider unmöglich. Dafür haben mir zu viele Wörter gefehlt.«
    »Die Frau, die ihr Kind tötet, weil sie …«
    »Nicht«, unterbrach ihn Rose, »bitte nicht! Du solltest es nur lesen, aber nicht vorlesen!«
    »Das mit den fehlenden Worten wird sich bald ändern.« Rochus freute sich, als der gequälte Ausdruck aus Roses Augen verschwand. »Du bist eine ungewöhnlich begabte Schülerin. Nein, mehr als das, Rose, ich kann förmlich spüren, wie die Sprache in dir ein Echo findet.«
    »Ich liebe Latein. Es ist so klar, so logisch, so rein«, sagte Rose. »Eines passt auf das andere, exakt, ohne Lücken, wie Bausteine, die sich aufeinander türmen. Ich wünschte, ich würde es besser können!«
    »Eines Tages wirst du das«, sagte Rochus. »Und es wird nicht lange dauern, wenn du so fleißig weitermachst. Darf ich deine … Legende behalten?«
    Sie nickte, errötend.
    »Was meinst du, werde ich eine neue schreiben?«, fragte sie.
    »Wenn deine Legenden so unbedingt hinaus wollen, wie du mir gesagt hast.« Er tippte zart auf ihre Brust, und sie war zu aufgeregt und glücklich, um sich deshalb zu schämen. »Wer sollte sie dann daran hindern?«

    Der Reiter wartete in seinem Versteck, bis die Dämmerung kam, dann nahm er seinen Streifzug erneut auf. Dabei bemühte er sich immer, die Deckung nicht zu verlassen. Es war riskant, sich allein umzusehen, aber noch um vieles riskanter wäre es gewesen, gleich im Trupp zu erscheinen. Es galt, so wenig Aufsehen wie möglich zu erregen und dabei doch nur lohnende Ziele aufzuspüren.
    Die anderen waren nicht weit. Niemals, das war ihre Strategie, auch wenn sich jetzt keiner von ihnen blicken ließ. Das machte ihn sicher.
    Er nahm einen Schluck aus dem Lederschlauch und spie die lauwarme Flüssigkeit angeekelt wieder aus. Viel zu lange schon waren sie unterwegs. Viel zu lange hatten sie auf Wein und Bier verzichten müssen – und auf Frauenfleisch.
    Sie nahmen stets, was sie bekommen konnten; ihre Gegner hätten es an ihrer Stelle nicht anders gemacht. Er ritt weiter, bis er schließlich an einem Kornfeld anhielt. Erst prüfte er mit dem Auge eine Ähre, dann mit seinen Händen, schließlich mit seinem Mund. Er zermalte das harte Korn zwischen den Zähnen. Nicht mehr lang, und der Weizen war reif für die Ernte.
    Dann lohnte sich das Wiederkommen erst recht.
    Die Burg, die er ausgespäht hatte, erschien ihm durchaus als geeignet. Sie lag einsam und leicht erhöht auf einem Felsen; es würde dauern, bis hier Hilfe eintraf. Außerdem hatte er bislang kaum Männer ein und aus gehen sehen. Es schien wahr zu sein, was man sich überall erzählte: dass der König des Ostfrankenreiches mit seinen Rittern irgendwo weit im Westen gegen den König des Westfrankenreichs und dessen Ritter kämpfte.
    Er hatte nichts dagegen.
    Je weniger Ritter in der Nähe waren, umso besser, das hatte ihn die Erfahrung gelehrt. Lange Zeit hatten er und seine Genossen sich an die einmal geschlossenen Verträge gehalten und ihre Raubzüge eingestellt, aber die Zahlungen waren immer spärlicher geflossen und schließlich sogar gänzlich ausgeblieben.
    Der Hunger der Steppenreiter war erneut erwacht.

Drei

JULI 946
BURG SCHARZFELS
    D as kleine Mädchen trug nur eine Windel, so strahlend und heiß hatte der Tag begonnen. Gunna legte ihre Tochter an die Brust wie jeden Morgen, aber heute schien Lenya es ganz und gar nicht eilig zu haben. Sei es, dass auch sie die freudige Aufregung spürte, die die ganze Burg erfasst hatte, weil von nun an die Ernte eingebracht werden sollte, sei es, dass die ungewohnte Wärme sie unruhig machte. Anstatt zu

Weitere Kostenlose Bücher