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Liebe ist ein Kleid aus Feuer

Titel: Liebe ist ein Kleid aus Feuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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aber bevor sie noch laut » Turci !« schreien konnte, riss man ihr schon die Arme auf den Rücken, fesselte sie und brachte sie mit einem Knebel endgültig zum Schweigen. Es waren an die zehn Männer, die um das Schwein am Spieß tanzten wie um ein Götzenbild, untersetzte, kräftige Krieger, mit langen Haaren, die glatt und strähnig aus ihren braunen Kappen fielen, allesamt von Kopf bis Fuß in speckiges Leder gekleidet. Mit angstgeweiteten Augen sah Malin die hölzernen Bogen und die pfeilbestückten Köcher, die sie umgehängt hatten, sowie die Krummsäbel und Messer, die sie am Gürtel trugen.
    Einer von ihnen, der Kleinste, der eine schiefe Nase hatte und sein linkes Bein nachzog, konnte offenbar ein paar Worte Sächsisch.
    »Frau«, hörte sie ihn sagen. »Alt. Nicht wert!«
    Dann wurden ihre Augen mit einem Tuch verbunden. Die Fesseln wurden gelöst, sie bekam wieder den Spieß in die Hand gedrückt, erhielt ein paar derbe Knüffe in den Rücken und verstand augenblicklich, was das zu bedeuten hatte: Sie sollte weiter drehen. Dabei hatte Malin das Gefühl, ihre Ohren würden sich ins Unendliche ausdehnen, weil jeder Laut überdeutlich zu ihr drang.
    Stiefelknarren, Wiehern, das Rücken und Schleifen von Holz auf Stein. Die fremden Reiter schienen zugleich überall und nirgendwo zu sein. Wie ein wild gewordener Bienenschwarm stoben sie in die verschiedensten Richtungen, um Beute zu machen. Malin hörte sie wiederkehren und sich mit kurzen, seltsam knarrenden Worten verständigen. Dann entfernten sie sich erneut.
    »Frau«, hörte sie erneut die Stimme des Schiefnasigen. »Goldhaar!«
    Alles in ihrem Kopf – der Met, die Hitze, die Angst – verschwamm zu einem wässrigen Brei, aus dem sich ab und an nur noch einzelne Worte wie helle Tautropfen lösten. Mein Täubchen, was werden sie bloß mit dir anstellen, wenn sie dich in die Hände bekommen? Und deine Kleine, Eila – und wenn sie auch noch sie …
    Malin versuchte zu husten, um sich wenigstens von dem quälenden Knebel zu befreien, aber das Tuch saß zu fest. Fast dankbar spürte sie eine Ohnmacht nahen, und als das Dunkel sie schließlich umfing, empfand sie es als Erlösung.

    Mit den unregelmäßigen Verben, die Bruder Rochus ihnen letzte Woche aufgegeben hatte, wollte sie es zunächst versuchen. Ihre Lippen bewegten sich lautlos. Caveo, cavi, cautum – sich hüten; faveo, favi , fautum – gewogen sein; moveo, movi, motum – bewegen …
    Roses Zähne schlugen aneinander. Die Angst hatte sie fest im Griff, und alles Latein der Welt half jetzt nicht weiter.
    Wo war Eila? Hatten die Reiter sie draußen überwältigt und weggeschleppt?
    Sie lag bäuchlings unter dem Bett, presste ihr glühendes Gesicht gegen den Lehmboden und versuchte mit aller Macht, an etwas anderes zu denken. An die wunderschönen Heiligenlegenden beispielsweise, von denen sie sonst gar nicht genug bekommen konnte. Barbara, die von ihrem eifersüchtigen Vater in einen Turm gesperrt worden war und dort heimlich zur Christin wurde. Katharina, für die Jesus Christus der einzige Bräutigam war, den sie jemals empfangen wollte. Oder Margarete, die schöne Jungfrau, die der heidnische Stadtpräfekt beim Schafehüten erblickt hatte. Hatte er sie nicht mit Fackeln quälen lassen und ins Gefängnis gesperrt, weil sie ihm nicht zu Willen sein wollte – oder war das doch Katharina gewesen?
    Plötzlich war wie weggeblasen, was sie je gewusst und gelernt hatte. Alles in ihrem Kopf drehte sich. Die Legenden verwuchsen miteinander, als seien sie zu einem blutigen Teppich verwebt.
    Nur nicht losweinen! Keinen verräterischen Laut von sich geben!
    »Verschwindet, ihr widerlichen Kerle! Lasst mich in Ruhe! Nein, ich will nicht … Fasst mich nicht an! Was fällt euch ein? Wisst ihr denn nicht, wer ich bin? Hilfe … Turci … Turci! «
    Odas Stimme stieg schrill an, dann verstummte sie abrupt.
    Wieder bewegten sich die Stiefel vor Roses Versteck, hohe, braune Stiefel, viel zu schwer für diesen heißen Tag. Acht Beine, vier Männer, zählte das Mädchen mechanisch, Odas blaues Kleid war längst aus seinem Blickwinkel verschwunden.
    Rose hörte lautes, fremdes Reden, Lachen, das Reißen von Stoff, lautes Keuchen.
    Jemand schrie.
    Katharina, Barbara und Margarete hatten tapfer ihren Peinigern widerstanden, sie aber presste sich wie ein feiger Wurm auf den Boden und versuchte vergebens, sich unsichtbar zu machen.
    Rose umklammerte die Lunula auf ihrer Brust, bis die Knöchel weiß hervortraten,

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