Liebe ist ein Kleid aus Feuer
Angst?«
»Sollte ich?«
»Die Leute sagen, die kleinen Wesen treiben dort ihren Schabernack. Machen jeden Eindringling müde, bis er einschläft, und wenn er wieder aufwacht, dann sind nicht ein paar Stunden vergangen, sondern viele Jahre. Er humpelt als Greis heraus und kann sich an nichts mehr erinnern.«
»Hast du noch mehr solche Gruselgeschichten auf Lager?«
Eila nickte. »Andere behaupten, dort würden Einhörner hausen. Das sind Pferde mit einem Spieß auf der Stirn, mit dem sie jeden durchbohren können …« Sie verdrehte die Augen.
»Und wann hat sich zum letzten Mal eines dieser Ungeheuer bei dir blicken lassen?«, fragte Gunna.
»Noch nie«, sagte Eila. »Und vielleicht gibt es sie ja gar nicht. Vater lacht mich auch jedes Mal aus, wenn ich davon anfange. Aber ich bleibe trotzdem lieber hier. Obwohl es Spaß macht, dir zuzusehen – bei allem, was du tust.«
Fast widerwillig verzog sie sich und stattete dem Taubenhaus einen Besuch ab. Aber sie konnte das Gurren und aufgeregte Plustern ihrer Lieblinge heute nur schwer ertragen. Danach sah sie bei Kaja und ihrem Gefährten vorbei, die nebeneinander auf der Hohen Reck hockten und sich putzten. Einmal mehr wünschte sie sich, dass der Vater zurück sei und endlich sein Versprechen einer Beizjagd einlösen würde. Anschließend trödelte sie in der Hoffnung über den Burghof, dass Lando gerade jetzt die Schmiede verlassen möge. Er musste doch spüren, dass sie an ihn dachte!
Doch der junge Schmied ließ sich nirgendwo blicken.
Das Burgtor stand offen und erlaubte einen weiten Blick über die sommerliche Landschaft, eine ungewohnte Aussicht für Eila, die ihr die gewohnte Enge der Mauern bewusst machte. Heute kann die ganze Welt zu uns herein, dachte das Mädchen, und ein helles, leichtes Gefühl durchströmte sie. Ich kann sehen, so weit ich will, und muss mir nicht wie sonst vorstellen, ein Vogel zu sein, der alle Hindernisse überfliegen kann.
Ein Stück weiter unten sah sie Gunna im Sonnenlicht in Richtung Westen gehen, die Kleine auf den Rücken gebunden, den Eimer in der Hand, und für einen Augenblick bereute Eila ihre Entscheidung. Ein köstlicher Geruch lenkte sie ab und zog ihr gleichzeitig den Magen zusammen, als hätte sie nicht erst vor kurzem zwei große Näpfe voll lauwarmer Morgensuppe vertilgt.
Sie wandte sich zum Küchenbau, vor dem Malin langsam den Spieß drehte. Die Alte stöhnte und blinzelte, weil der Rauch der Buchenscheite ihr in die Augen stieg, vergaß aber dennoch nicht, regelmäßig einen Wedel in die Schüssel mit der würzigen Lake zu tauchen, die neben ihr stand, und den Braten damit zu bestreichen.
»Willst mich etwa ablösen?«, sagte sie. »Das ist aber fein! Mir werden nämlich langsam die Arme lahm. Wird ein schönes, saftiges Schweinchen für uns alle!« Malin griff zum Metkrug, setzte an und leerte ihn. Etwas unsicher stellte sie ihn wieder ab. Ihre Augen waren bereits glasig, wie Eila bemerkte.
»Vorausgesetzt, du bist bis dahin nicht zu betrunken, um das Schwein auch anständig zu braten.«
»Ich geb dir gleich ›anständig braten‹, Fräulein Frechdachs!« Schwerfällig rollten die Worte über Malins Zunge. »Brot und Käse füllen nun mal nicht den Magen, wenn man den ganzen Tag die Sichel geschwungen hat.« Träge fuhr sie sich mit der Hand über das Gesicht und hinterließ dabei eine schwarze Spur.
Eila unterdrückte ein Kichern. Mit der rußigen Nase, dem zerschlissenen Unterkleid und ihrem aufgelösten grauweißen Zopf sah Malin aus wie eine Vogelscheuche. Und gerade stehen konnte sie auch nicht mehr richtig. Wenn nur Rose endlich hinter ihren Schriften hervorzulocken gewesen wäre, hätten sie sich zu zweit bestens amüsieren können.
Eila beschloss, die Freundin zu holen.
»Wo sind denn all unsere Mägde geblieben?«, sagte sie schon halb im Gehen, die Augen noch einmal gierig auf den duftenden Braten gerichtet. »Eine von denen könnte dir doch statt meiner zur Hand gehen.« Es war eine stattliche Sau, die sich auf dem eisernen Spieß drehte, und Eila konnte sich schon jetzt vorstellen, wie würzig ihr Fleisch schmecken würde.
»Dein Vater würde auf der Stelle zornig werden, könnte er dich so gedankenlos daherplappern hören. Sogar Bodo ist mit draußen auf den Feldern, und das schon seit dem ersten Hahnenschrei. Was ist jetzt, hilfst du mir, oder lässt du es wie immer lieber bleiben?«
Eila lachte, als hätte Malin einen guten Witz gemacht, fuhr sich mit der Hand durch die Haare und
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