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Liebe ist ein Kleid aus Feuer

Titel: Liebe ist ein Kleid aus Feuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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schloss die Augen und versuchte zu beten.

    Als Gunna erwachte, war das Licht fast heruntergebrannt. Noch ganz im Bann ihres seltsamen Traums, wusste sie im ersten Augenblick nicht, wo sie sich befand. Aber als sie Lenya friedlich auf ihrer Decke schlafen sah, fiel ihr alles wieder ein: das Zwergenloch, der Lehm, den sie hier in überreicher Menge entdeckt und von dem sie bereits eine Probe in den Eimer gefüllt hatte, um ihn auf der Burg näher zu untersuchen, vor allem aber ihre verwaiste Töpferscheibe, die bald schon wieder singen würde.
    Um sich nicht mit Lenya beim Hinausgehen in den unzähligen Gängen zu verirren, entzündete sie einen frischen Kienspan. Sie spürte die Gelenke, als sie sich bewegte, und plötzlich war die Kühle der alten Höhle alles andere als angenehm.
    »Wir werden wiederkommen«, sagte sie, als die Kleine aufwachte und den Mund weinerlich verzog. Lenyas Bäckchen waren hochrot vom Zahnen. »Ganz gewiss! Und zwar mit deinem großen Bruder, und wenn er noch so viele Ausreden parat hat. Wir bringen ausreichend Kienspäne mit und füllen ganze Karren mit Ton, dann kann die Arbeit endlich beginnen. Und weder Zwerge noch Einhörner werden uns daran hindern, das versprech ich dir, mein Herzensmädchen!«
    Dumpf hallte ihre Stimme von den Felswänden zurück, und als ihr unversehens etwas Feuchtes in den Nacken tropfte, schrak sie zusammen. Unwillkürlich fiel Gunnas Blick auf ihre Hände, dann aber musste sie über ihre Ängstlichkeit lächeln. Das waren keine Greisenhände, wie Eilas gruselige Geschichten es einem weismachen wollten. Es waren und blieben ansehnliche Frauenhände mit kräftigen, geschickten Fingern, die aus einem Batzen Lehm die nützlichsten Gefäße erschaffen konnten.
    Dennoch sah sie sich vorsichtshalber noch einmal um.
    Die seltsamen Felsformationen, die wie versteinerte Tränen von den Wänden wuchsen, erinnerten sie im unsteten Licht an Tierkörper oder menschliche Gestalten. Jetzt war alles hier dunkel und still, doch eben vorhin, im Traum, hatte sie Flammen gesehen und das Donnern von Hufen gehört. Menschenstimmen, Lachen, heiseres Flüstern. Abermals lauschte sie in die Dunkelheit. Die Höhle kam ihr lebendig vor, ein riesiges, atmendes Lebewesen mit uralten Erinnerungen.
    Wer vor ihr wohl schon alles hier gewesen war? Rund um ein großes Feuer versammelt, während draußen der Regen prasselte oder dicke Flocken fielen? Was hatten sie zusammen gegessen, was getrunken? Wer war hier geboren worden, wer im Schutz der Höhle gestorben? Welche Geschichten mochten hier im Wandel der Jahreszeiten wieder und wieder die Runde gemacht haben?
    Die Traumgeräusche hallten noch immer in ihren Ohren wider, aber Gunna spürte, wie sie schwächer und schwächer wurden. Beherzt nahm sie die Kleine hoch, band sie sich vor die Brust, weil sie Lenya auf einmal noch näher bei sich haben wollte, und griff nach ihrem Ledereimer. Im fahlen Licht des Kienspans sah sie etwas Weißliches auf dem Boden.
    Gunna wusste instinktiv, was es war, noch bevor sie sich danach bückte, um es aufzuheben.

    Es stank so ekelhaft, dass Eila fast die Luft wegblieb. Von Lando kam kein Laut. Dabei wusste sie, dass er neben ihr stand, kaum eine Armlänge entfernt und wie sie bis zur Brust im Fäkalienbrei. Er war es gewesen, der sie kurzerhand hinter die gewisse Tür gedrängt hatte, als er die Reiter sah, und er hatte sie auch gezwungen, den hölzernen Sitz anzuheben und mit ihm hinabzusteigen. Eigentlich waren längst zwei Knechte beauftragt gewesen, die Latrine zu leeren, bevor die sommerliche Hitze einsetzte. Doch das anhaltend gute Wetter und damit der frühe Erntebeginn hatten offenbar alle anderen Arbeiten in den Hintergrund gedrängt.
    »Wenn ich hier ersticke, bist du daran schuld«, sagte Eila. »Was fällt dir überhaupt ein? Dass ich so etwas Widerliches erleben muss!«
    »Du stirbst nur, wenn sie uns erwischen. Und jetzt sei endlich still. Ich möchte gern noch ein Weilchen weiterleben.«
    Sie gab sich alle Mühe, tapfer zu sein, doch gegen das Zittern in Armen und Beinen war sie machtlos.
    »Ich hab solche Angst«, gestand sie wispernd. »Vielleicht sind sie ja gleich hier.«
    »Es gibt kein sichereres Versteck auf der ganzen Burg.«
    »Aber Mutter. Und Rose. Und Malin …«
    »Vielleicht kann ihnen unser Mönch beistehen. Bei seinem großen Mundwerk müsste das eigentlich nicht schwierig sein.« Die Jungenstimme klang brüchig. »Vielleicht reiten sie auch wieder davon, sobald sie genug

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