Liebe ist ein Kleid aus Feuer
und spürte, wie eine Lederhand die Lunula auf ihrer Brust überraschend vorsichtig berührte. »Gott.«
Sie war zu schwach, um sich dagegen zu wehren, zu kraftlos für irgendeine Bewegung. Alles tat weh, jedes einzelne Körperteil, und sie fühlte sich so zerschlagen, dass ihr die Lider zufielen. Ein traumloser Schlaf tiefster Erschöpfung umfing sie, der sie schnell forttrug.
Langsam kam sie zu sich, schwer und kurzatmig, als tauche sie mühsam auf vom Grund eines dunklen Gewässers. Sie hatte sich in die Zunge gebissen, wie schon so oft davor. Am liebsten hätte sie die Zunge ausgespuckt, so fremd und nutzlos erschien sie ihr. Sie lag in ihrem Bett, aber jemand war hinter ihr, hielt ihren Kopf im Schoß, und große, raue Hände streichelten sie behutsam.
»Was ist geschehen?«, fragte Rose matt. Neben ihr auf der Truhe stand ein Becher mit einer dampfenden Flüssigkeit, die süßlich roch.
»Deine Krankheit hat sie in die Flucht getrieben«, sagte Malin. »Stell dir das nur mal vor, meine Kleine! Du hast uns gerettet. Was nicht einmal Bruder Rochus und dem scharfen Schwert des Schmieds gelungen ist, hast du ganz allein vollbracht. Nie wieder werd ich mit dir schimpfen, nicht einmal, wenn du meine Küche mit deinem widerlichen Gebräu verpestest, das versprech ich dir.«
»Hab ich lange geschlafen?«
»Ein paar Stunden. Du hast schwer geträumt. Und ein paarmal angstvoll geschrien.« Malin strich ihr über die Stirn. »Aber jetzt ist alles gut.« Sie seufzte. »Es wird bald dunkel werden. Bin ich froh, wenn dieser schreckliche Tag endlich vorüber ist!«
Jedes Wort kostete Rose eine Überwindung, aber sie wollte doch reden, sie musste! Nur mit Worten ließ sich einigermaßen ertragen, was sie durchlitten hatte.
»Und sie sind wirklich weg? Alle?«
»Das sind sie. Und das hier, was neben dir dampft, ist mein Baldriantee, der dich schnell wieder zu Kräften kommen lassen wird. Ich hab sogar schon sagen hören, dass er Fallsucht vollständig heilen kann.«
Malin hielt ihr das Getränk vor die Nase; Rose jedoch drehte den Kopf weg. Allein die Vorstellung, jetzt etwas Heißes schlucken zu müssen, war unerträglich.
»Allerdings haben sie unser schönes gebratenes Schwein und Unmengen unserer Vorräte mitgenommen, dazu Pferde und Hühner, alle Ziegen und sogar das Eselchen von Bruder Rochus. Stell dir das nur einmal vor! Odas ganzes Silber haben sie gestohlen, all unsere Stoffe und die großen Kandelaber. Ihre Pferde waren so schwer bepackt, dass sie kaum noch vorwärts kamen. Aber sie haben keine Gefangenen gemacht, nicht einmal unseren vorwitzigen Mönch. Und getötet haben sie auch niemanden. Das ist wohl die Hauptsache.«
»Und Oda? Ist sie …«
Das Gesicht der Alten verschloss sich. »Ich hab mein Täubchen versorgt, so gut es eben ging. Erwürgen könnt ich diese Bestien – jeden Einzelnen von ihnen! Um ein Haar hätten sie sich auch noch an dir vergriffen. Du hast großes Glück gehabt und solltest der Gottesmutter danken, die dich mit ihrem blauen Mantel beschützt hat. Auf zarte Jungfrauen sind sie nämlich besonders erpicht.«
Ein unangenehmer Geruch stieg in Roses Nase. Erschrocken schaute sie an sich hinunter.
»Keine Angst, das hab ich längst erledigt«, sagte Malin. »Frag lieber deine Freundin, woher der Gestank kommt!«
»Eila? Sie ist da?«
Rose schob Malins Hände zur Seite und versuchte, sich aufzurichten. Die Mädchen umarmten sich. Eila drückte die Freundin fest an sich, aber Rose wandte den Kopf zur Seite, weil der verhasste Geruch von vorhin wieder intensiver wurde.
Eila schien es zu spüren und löste sich.
»Da bist du ja!«, sagte Rose. »Ich hab solche Angst um dich gehabt. Wo warst du denn nur die ganze Zeit? Und wie siehst du überhaupt aus?«
»Frag nicht!«, sagte Eila. Sie steckte in einem zerschlissenen Unterkleid, das Rose noch nie zuvor an ihr gesehen hatte, und hielt Arme und Beine von sich gestreckt, als sollten sie am besten nicht mehr zu ihr gehören. Die roten Haare hatte sie mit einem Lederband so straff aus dem Gesicht gebunden, dass die Stirnhaut spannte.
»Du warst doch nicht etwa in …« Rose riss entsetzt die Augen auf.
Eila machte ein grimmiges Gesicht.
»Und kein anderer als dieser dumme Lando ist daran schuld. Er hat mich einfach reingezerrt, ohne mich zu fragen. Jetzt brüstet er sich damit, mein Leben gerettet zu haben! Aber das werd ich ihm austreiben, verlass dich darauf!«
»Aber das hat er doch, Eila, Mädchen!«, protestierte Malin.
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