Liebe ist ein Kleid aus Feuer
sich allerdings zu beherrschen lernen. Du verbringst den Abend besser allein bei Suppe und Brot. Das wird dir Gelegenheit geben, gründlich nachzudenken.«
Eila sah, wie Sigmars Kiefer mahlten, aber er verlor kein Wort. Stattdessen stürmte er in das neue Mauserhaus, das sie für die Falken hochgezogen hatten, und setzte dort Speer ungestüm auf dem hohen Reck ab. Der Terzel flatterte immer wieder auf, schien sich gegen die Fessel zu wehren und verweigerte, sitzen zu bleiben. Sigmar hob schon die Hand, als wolle er nach ihm schlagen, doch der hohe, scharfe Ton, der Eila bei diesem Anblick entfuhr, hinderte ihn offenbar im allerletzten Moment daran.
»Du glaubst, du weißt alles besser«, fuhr er sie an. »Dabei weißt du nichts. Gar nichts!«
»Wenn du ihm wehtust, wird er dir nicht mehr vertrauen«, sagte Eila. »Falken haben ein gutes Gedächtnis. Hast du schon vergessen, was Vater uns davon erzählt hat?«
»Dann lauf doch gleich los und petz ihm alles! Ich kann ihm ohnehin nichts recht machen, das weiß ich längst. Aber glaubst du vielleicht, das kratzt mich? Kein bisschen tut es das! Bald gehe ich zurück zu meinem Onkel und erhalte die Schwertleite – dann wird mich keiner von euch auf dieser schäbigen Burg jemals wieder zu Gesicht bekommen.«
Er rammte seinen Fuß gegen die Tür, um sie aufzustoßen, dann war er endlich draußen.
Eila ließ sich Zeit, Siv zurück an ihren Platz zu bringen, entkappte sie, streichelte ihr noch ein paarmal die Brust und ließ sie danach ausgiebig in der Brente baden, die bald schon im Freien aufgestellt werden würde. Schließlich hockte auch das Falkenweibchen auf der Stange. Eila leinte sie an und sprach leise und lange mit ihr, während Sivs Augen ihr aufmerksam folgten. Es tat ihr gut, alles möglichst langsam zu tun, denn in ihr ging es turbulent genug zu.
Jede Begegnung mit Sigmar war eine neuerliche Herausforderung. Mal war er ruhig und zugänglich und sah sie mit seinen hellen Augen so eindringlich an, als hinge sein Leben von ihrer Gunst ab. In solchen Momenten glich er tatsächlich der Michaelstatue in der kleinen Dorfkirche, die sie so liebte, und ihr Herz flog ihm zu. Dann jedoch, viel zu oft für ihren Geschmack, konnte alles ganz anders sein. Ein Ausdruck kam in Sigmars Blick, der ihr Angst machte, etwas Hartes, Abschätziges, dem sie sich nicht gewachsen fühlte. Am schlimmsten jedoch waren Sigmars Wutanfälle, die wie Gewitter aus dem Nichts hereinbrechen konnten. In diesen Situationen entgleisten seine Gesichtszüge, und seine Augen verloren die Farbe, als wäre er plötzlich ein ganz anderer Mensch. Die Enttäuschung über den Misserfolg des Terzels von eben war nur eine Kostprobe dessen gewesen, was in Sigmar alles steckte, und dennoch hatte sie Eila bereits zum Frieren gebracht.
Aufatmend trat sie nach draußen in die warme Frühlingssonne, die in diesem Jahr besonders beständig schien, als wolle sie Mensch und Tier so schnell wie möglich die Unbilden eines harten Winters vergessen lassen. In diesem Augenblick verließ Lando das Taubenhaus.
Sie stutzten beide und wussten nicht so recht, wohin mit ihren Blicken.
»Mir ist schon zu Ohren gekommen, dass du dich jetzt darum kümmerst«, sagte sie angesichts des bis zum Rand gefüllten Misteimers, den er in seiner Rechten trug. »Macht es dir denn nichts aus?«
»Und wenn schon! Irgendjemand muss es ja tun«, sagte er. »Jetzt, wo du keine Zeit mehr dafür hast, sondern dich nur noch mit Edlerem abgibst.«
»Das stimmt nicht!«, sagte sie heftig. »Und das weißt du. Ich hab nur …«
»… jegliches Interesse an deinen einst so geliebten Täubchen verloren. Kann ziemlich schnell bei dir gehen, Eila, das kenne ich aus Erfahrung. Besser, man stellt sich beizeiten darauf ein.«
»Du redest Unsinn. Das sind doch nichts als lauter Lügen!«
»Lügen?« Er schüttelte den Kopf, dass sein glattes, dunkles Haar flog. Er trug es länger als noch im letzten Jahr und sah beinahe aus wie ein junger Edelmann.
Lando war über den Winter ein ganzes Stück gewachsen, und auch seine Schultern kamen ihr breiter vor, während seine Hüften und Beine noch immer jungenhaft knochig waren. Etwas Warmes breitete sich in Eila aus bei seinem Anblick, etwas Helles, Fröhliches, aber sie wehrte sich dagegen, wollte auf keinen Fall weich werden, bloß nicht in seiner Gegenwart zu schmelzen beginnen, weil es schließlich doch nur wieder wehtun würde.
»Nein, das sind keine Lügen! Was ich dir zu sagen habe, ist die
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