Liebe ist ein Kleid aus Feuer
Bett es auf die Schnelle hätten richten können, und er spürte plötzlich die endlosen Meilen, die ihn kreuz und quer durch das Reich geführt hatten. Die Geschäfte liefen nicht übel, und es sah sogar aus, als ließe sich endlich Großes erreichen, aber es wurde kalt. Jeden Tag war mit dem ersten Schnee zu rechnen, das verrieten ihm seine schmerzenden Knochen, und wenn erst einmal die dichten Flocken fielen, verwandelten sich die endlosen Wälder in eine feindliche weiße Welt. Höchste Zeit, dass er eine geeignete Bleibe für den Winter fand, nicht nur für sich, sondern auch für seinen Gehilfen, an den er jetzt auch noch zu denken hatte.
»Das heilige Blut«, sagte er sinnend. »Am Kreuz vergossen von Jesus Christus.« Seitdem der Mönch bei ihm lebte, hatten sich seine theologischen Kenntnisse auf erfreuliche Weise erweitert. Der Strick entschloss sich, aufs Ganze zu gehen, um dieses feindselige, spröde Weibsbild zu erweichen, das so kerzengerade vor ihm saß, als hätte es einen der silbernen Kandelaber verschluckt, die im Vorübergehen seine Aufmerksamkeit erregt hatten. »Die gesamte Christenheit würde euch um diesen Schatz beneiden.« Sein Tonfall geriet lebhafter. »Sollten wir der kleinen Äbtissin diesen unvergesslichen Anblick tatsächlich vorenthalten? Vielleicht vermag Gerberga dich ja umzustimmen.«
Bihilit musterte ihn kühl. »Wollte ich dir das Silber aushändigen, das du dafür verlangst«, erwiderte sie, »so wären unsere Schatullen blank gefegt, und meine Schwestern und ich müssten uns an Heu halten wie hungrige Gäule. Es ist leichter, ein gottgefälliges Leben zu führen, wenn der Magen nicht zu laut knurrt, das haben schon die Kirchenväter erkannt. Die Frauen, die mir anvertraut sind, dürfen weder krank noch schwach werden. Das ist es, woran ich jetzt vor allem zu denken habe.«
Er ließ ein meckerndes Lachen hören, verstummte aber schnell wieder.
»Du scherzt«, sagte er. »Aber lass uns lieber wieder ernst werden, denn die Angelegenheit ist zu wichtig. Euer Stift ist mehr als wohlhabend; Weiler und Hufe gehören euch, Äcker und jede Menge Wald. Diese kleine Anerkennung für meine Bemühungen, die ich dir vorgeschlagen habe, macht euch also nicht gleich arm, das weißt du ebenso gut wie ich. Wieso zögerst du dann noch? Denn eines kann ich dir schon jetzt verraten: Der König wird nicht eben glücklich sein, wenn er davon erfährt. Zufällig weiß ich aus seinem eigenen Mund, wie wichtig ihm solche Reliquien sind – vor allem für das Stift, dem die Grabpflege der königlichen Familie obliegt.«
»Du hast mit ihm gesprochen?« Ihr Gesicht erglühte. »Du kennst den König?«
Der Strick schob die silberne Fibel zur Seite, fasste unter seinen Mantel. Er zog ein Pergament hervor und reichte es ihr.
»Das will ich meinen! Siehst du dieses Siegel? Dann weißt du ja Bescheid. Aber das ist noch nicht alles. König Otto hat das Dokument eigenhändig unterzeichnet – in meiner Gegenwart.« Es war ihm anzuhören, wie wichtig ihm das war. »Ich bin sozusagen in seinem Namen unterwegs. Vielleicht macht das für dich ja einen Unterschied, und du änderst endlich deine Meinung.«
Bihilit überflog die Zeilen, schien nach der Lektüre aber noch immer nicht sonderlich beeindruckt.
»Da steht nur, dass man dir keine Hindernisse in den Weg legen soll, nicht aber, dass man sich freiwillig von dir ausrauben lassen soll.« Sie erhob sich. »Ich kann dir im Augenblick keinen anderen Bescheid geben. Wir werden allerdings Gelegenheit haben, den König selber zu fragen – sogar sehr bald. Bis dahin musst du dich in Geduld üben.«
»Was soll das heißen?« Sie klang so abschließend, dass er ebenfalls aufgestanden war. Die Audienz war zu Ende, bevor sie richtig angefangen hatte, das lag auf der Hand. Es machte wenig Sinn, sie auszudehnen, auch wenn ihm vor der Kälte grauste, die ihn draußen erwartete.
»König Otto wird unser Stift besuchen«, sagte sie, und jetzt lagen Aufregung und Stolz in ihrer Stimme. »Am Martinstag erweist er uns mit seinen Vertrauten die hohe Ehre der Schwertleite. Die Schwestern und ich werden für die jungen Ritter beten – und den Hofstaat zu bewirten haben. Deshalb musst du mich jetzt auch entschuldigen. Es gibt noch jede Menge vorzubereiten.«
Ein schnelles Lächeln flog über sein Gesicht. »Dann ist wohl auch damit zu rechnen, dass Pater Johannes anwesend sein wird?«
»Er ist der Geistliche, der alle Knappen des hohen Adels bei der Schwertleite betreut.
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