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Liebe ist ein Kleid aus Feuer

Titel: Liebe ist ein Kleid aus Feuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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Flucht keinen Sinn, wenngleich Eila die Vorstellung unerträglich war, im Kreise der frommen Kanonissinnen ausharren zu müssen, bis das Licht endlich wieder zurückkehrte. Wie in einem Netz gefangen kam sie sich seit dem ersten Tag hier vor, einem engmaschigen Netz, das sich immer fester um sie zusammenzog und sich nur einen Spalt breit öffnen ließ, wenn sie zu den Armen entwischen konnte.
    Als sie die Gande erreicht hatten, die sich schmal und grün zwischen niederen Büschen schlängelte, beschleunigte der alte Gaul seinen Gang, als könne er den heimatlichen Stall bereits schnuppern. Vor dem Stift kam ihnen eine Herde fetter Gänse entgegengewatschelt. Hinter der letzten von ihnen tauchte Rose mit gerafften Röcken auf.
    »Da bist du ja endlich!«, rief sie, als sie Eila erblickte. »Die Priorin hat schon nach dir gefragt. Du weißt doch, dass sie es nicht mag, wenn du zu lange allein unterwegs bist. Beeil dich, es ist gleich Zeit für die Vesper!«
    Eila stieg ab. »Und was treibst du hier eigentlich?«
    »Siehst du doch! Ich brauch dringend neue Schreibkiele.« Rose suchte den Boden hinter den Gänsen ab.
    »Wieso wartest du nicht einfach? In ein paar Tagen ist Martini. Zudem ist hoher Besuch angesagt, wenn ich richtig gehört habe, da werden die meisten von ihnen ohnehin im Ofen landen. Spätestens dann hast du die allerbeste Auswahl.«
    »Aber ich brauch sie doch sofort.« Rose hob die stets tintenfleckigen Hände, und spätestens jetzt war der Rock im Lehm gelandet. »Wie soll ich sonst weiterkopieren? Außerdem muss man ausgefallene Federn nicht erst umständlich in heißem Sand härten. Oder hast du schon alles vergessen, was Bruder Rochus uns einmal beigebracht hat?«
    Sie bückte sich und fuhr gleich wieder erschrocken hoch, als sie das Schlagen der Glocke hörte.
    »Schnell, Eila! Wenn du schon wieder zu spät kommst, wird Bihilit bestimmt sehr wütend werden.«
    »Soll sie doch«, sagte Eila. »Jetzt bringe ich erst einmal Blasi zurück in seinen Stall.«

    »So werden wir beide nicht zusammenkommen.« Der Strick legte eine bedeutungsvolle Pause ein. »Leider, muss ich sagen, was meinen Teil betrifft.« Der Feuerschein aus dem Kamin spiegelte sich auf seinem kahlen Schädel. Wenn er den Kopf langsam hin und her bewegte, sah es aus, als stünde er in Flammen.
    Bihilit strich die Falten ihres Kleides glatt, obwohl sie akkurater kaum hätten fallen können. Alles an ihr war wohl geordnet; das helle, ovale Gesicht, die fein gezeichneten Brauen, der kleine, energische Mund, den ein zu knapper Abstand zur Nase leicht schnippisch wirken ließ. Nicht ein Härchen zu viel entblößte der Schleier, den sie trug, und das Silberkreuz auf ihrer mageren Brust, die sich langsam senkte und hob, schimmerte wie frisch poliert.
    »Die Dinge liegen nun mal so«, sagte sie. »Ich bin zu einem Handel wie diesem nicht befugt. Solche Entscheidungen zu treffen würde lediglich einer Äbtissin zustehen.«
    »Dabei sieht doch jeder, der Augen im Kopf hat, wie straff und besonnen dieses Stift von dir geführt wird«, sagte er. »Außerdem wird es noch Jahre dauern, bis Gerberga alt genug ist, um an deine Stelle zu treten.« Er seufzte nachdrücklich. »So lange kann ich beim allerbesten Willen nicht warten.«
    »Sie ist die Nichte des Königs«, entgegnete Bihilit nicht ohne Schärfe. »Und die Tochter Herzog Heinrichs dazu. Ich stehe ihr zur Seite, als eine Art Verwalterin, wenn du so willst, das ist alles. Solange sie mich brauchen wird.«
    Ihre schmale Hand fuhr über das Gesicht, als müsse sie etwas Unangenehmes wegwischen. Es war ihr deutlich anzumerken, dass der unerwartete Besucher ihr zusetzte. Seine Kleidung war vom Reiten schmutzig und zerdrückt, doch Tunika und Mantel waren aus feinster Wolle, das hatte sie sofort erkannt. Aber diese widerliche Narbe an seinem Hals, die er zur Schau stellte, anstatt sie schamhaft wie ein Christenmensch zu verdecken … Von diesem Gegenüber fühlte sie sich abgestoßen wie selten zuvor in ihrem frommen Leben.
    »Wie bist du überhaupt auf uns verfallen – Strick?« Sie sprach seinen Namen aus, als müsse sie im nächsten Moment daran ersticken. »Hat dich jemand geschickt, den ich kennen müsste?«
    Der Strick hob das Bergkristallfläschen hoch, um das der Disput sich drehte. Selbst das gedämpfte Licht, das durch die Schweinsblasen vor dem Fenster fiel, ließ seinen Inhalt rubinrot erscheinen. Der Strick war müde und hungrig, ausgelaugter, als eine warme Mahlzeit und ein weiches

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