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Liebe ist ein Kleid aus Feuer

Titel: Liebe ist ein Kleid aus Feuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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sprechen!«
    Einige lachten. Andere schauten tiefer in die Näpfe, weil sie sich lieber raushalten wollten. Die Arbeit am und vor allem im Berg war zu hart und gefährlich, um sich auch noch Feinde zu machen. Ein ungeschriebenes Gesetz, das jedoch seine Gültigkeit verloren zu haben schien, seitdem Jon gekommen war.
    Lando verspürte Lust, einfach zuzuschlagen, aber er beherrschte sich. Am Rammelsberg herrschten andere Regeln, eigene Gesetze, das hatte er in den Jahren, die er hier lebte, bereits zu spüren bekommen. Anfänglich war es ihm wie ein Strafgericht der tiefsten Hölle erschienen, das sich allenfalls dumpf ertragen ließ. Nach und nach jedoch war die Betäubung der ersten Zeit verflogen, und er hatte sich daran gewöhnt.
    »Ist keine große Kunst, sich über einen Schwächeren zu erheben«, sagte er und hoffte inständig, dass Andres endlich damit aufhören würde, Reusin mit den Augen zu verschlingen oder gar zu versuchen, sie anzufassen. Ihre Anwesenheit unter den Montani brachte Andres noch schier um den Verstand. Und seitdem klar war, dass Jon berechtigte Aussichten bei der jungen Frau hatte, war er ganz außer Rand und Band geraten. »Nur ein jämmerlicher Feigling verhält sich so.«
    Lando war erst ein paar Schritte weit gekommen, als eine eiserne Faust ihn von hinten packte. Jon war nicht viel größer als er, aber um einiges stärker, ein zorniges Paket Mann, das ganz aus Muskeln und Sehnen zu bestehen schien. Er hielt ihn am Kragen, zwang ihn, sich umzudrehen, und drückte dann langsam zu.
    »Eines Tages dreh ich dir deinen vorwitzigen Hals um«, zischte er. »Willst du es wirklich darauf ankommen lassen? Oder soll ich dir lieber mit bloßen Händen den Schädel eindrücken und dabei zusehen, wie dein Gehirn wie Pisse im Boden versickert? Sieh dich vor, Schmelzer, denn mit einem echten Bergmann wie mir kannst du es nicht aufnehmen!«
    Die Angst kroch kalt in Lando hoch, denn er wusste, Jon meinte jedes Wort ernst, das er sagte. Drüben auf der Bank gab Andres ein dumpfes Gurgeln von sich, einer der wenigen Laute, mit denen er sich noch verständigen konnte, seit man ihm die Zunge herausgeschnitten hatte, weil er meineidig geworden war. Lando versuchte, an Algin zu denken, an Gunna, die kleine Lenya. An Eila. Wenn er sie eines Tages wiedersehen wollte, musste er das durchstehen.
    Als hätte Jon seine Gedanken gespürt, ließ er ihn abrupt los.
    »Wir kommen schon noch zusammen, du und ich!«, sagte er. »Danach wird dein stummer Hundsfott allerdings zusehen müssen, wo er ohne seinen Beschützer bleibt. Dann brechen magere Zeiten für ihn an, das kann ich dir garantieren!« Geräuschvoll zog er sich das Arschleder hoch, das alle Montani als Schutz trugen, wenn sie auf den Baumstämmen in den Schacht einfuhren, und selbst diese an sich harmlose Geste hatte bei ihm etwas Bedrohliches. Dann wandte er sich ab, ging zurück zu seinem Platz und löffelte weiter, als sei nichts geschehen.
    Andres packte Landos Arm, nachdem der endlich neben ihm Platz genommen hatte, und fuchtelte aufgeregt mit den Händen.
    »Lass mich jetzt wenigstens in Ruhe essen!«, sagte Lando müde. Die kurze Pause, die er sich gönnen konnte, war beinahe vorüber; für die langen Stunden, die er noch am Rennofen zu stehen hatte, brauchte er seine ganze Kraft. »Und schlag dir endlich dieses verdammte Weib aus dem Kopf! Reusin wird dich nicht erhören – egal, wie viele Faxen du anstellst. Wenn du nicht aufhörst, ihr nachzusteigen, wird dieser Grobian dich noch in Stücke reißen. Er wartet nur darauf. Geht das nicht endlich in deinen verbohrten Schädel hinein?«
    Andres ließ die Mundwinkel hängen. Jetzt schaute er so jämmerlich drein, dass er Lando fast schon wieder Leid tat.
    »Komm!« Er schob den Napf zur Seite. »Wir kümmern uns jetzt erst einmal um unseren Ofen. Schätze, die Luppe wird bald so weit sein.«
    Draußen pfiff ihnen ein eisiger Wind unter die Kleider. Sie trugen lagenweise Filz übereinander, aber selbst die Ochsenhaut, die sie sich als Schutz darüber gehängt hatten, vermochte die Wärme nur unzureichend zu halten. Doch es schien weniger kalt, wenn man sich bewegte, und dazu war es jetzt Zeit.
    In dem mannshohen Lehmofen vor ihnen, der einer riesigen Birne glich, waren Holzkohle, Kalk und Eisenerz geschichtet. Seit nunmehr einem Tag und einer Nacht brannte das Feuer, das ständig mit neuer Nahrung versorgt werden musste; zahlreiche Tonöffnungen an den Seiten, die in Blasebälge mündeten, sorgten für

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