Liebe ist kein Beinbruch
waren, und das Bildmaterial der Fernseharchive konnten die vollständige Vernichtung der Häuser, Schulen, Geschäfte und Kirchen nicht annähernd wiedergeben. Nur die Luftaufnahmen von Schutt und Verwüstung zeigten das wahre Ausmaß der Katastrophe. Diese grauenvollen Bilder hatten sich in Porters Gehirn gebrannt – ihr eigenes Haus mitsamt Inhalt war einfach vom Betonfundament gerissen worden. Allein der Briefkasten aus Metall am Ende der Auffahrt zeugte noch davon, dass die Armstrongs einmal hier gewohnt hatten.
Seine Mutter hatte wochenlang wegen ihres verlorenen Eherings geweint. Nach Vaters Tod hatte sie den filigranen Goldring Tag für Tag getragen. Kurz bevor der Sturm so zerstörerisch über die Stadt hinweggefegt war, hatte sie den Ring abgenommen. Tagelang hatte Porter das Grundstück mit einem Metalldetektor abgesucht, ehe er schließlich einsehen musste, dass der Ring sowie alles andere irdische Gut zusammen mit dem ihrer Nachbarn in alle Winde verstreut war.
Als die Armstrong-Brüder vor ein paar Monaten nach Sweetness zurückgekehrt waren, war die zerstörte Hauptstraße von Unkraut überwuchert und unter entwurzelten und umgeknickten Bäumen begraben gewesen. Tiere hatten sich in dem gesplitterten Holz und in den eingestürzten Häusern und Geschäften Nester gebaut. Porter hatte ein Blick auf dieRuinen der Stadt, die von Schling- und Kletterpflanzen überwuchert waren, gereicht – die Aufgabe, die Arbeit, die auf sie zukamen, hatten ihn fast überwältigt. Wenn einer seiner beiden Brüder in dem Moment einen Rückzieher gemacht hätte, wäre er ebenfalls eingeknickt. Kendall hatte die Wüste vor ihnen schweigend betrachtet. Marcus hingegen hatte, wie es seine Art war, nur die Hände in die Hüften gestemmt und gesagt: „Dann mal ran, Jungs!“
Was vor ihnen lag, waren unzählige Stunden harter Arbeit für sie und die Männer, die sie engagiert hatten. Die meisten hatten mit Marcus bei den Marines gedient, mit Kendall in der Air Force oder mit Porter in der Army. Anfangs waren sie am Ende eines Tages zu müde gewesen, um einen Gedanken daran zu verschwenden, dass das Bett neben ihnen leer war. Aber jetzt …
Porter bemerkte eine Bewegung in der Ferne und stellte das Fernglas scharf. Beim Anblick der flirrenden Luft über dem heißen dunklen Asphalt stockte ihm der Atem: Ein Fahrzeug näherte sich – ein großes Fahrzeug. Porter blinzelte und versuchte zu begreifen, was er da sah. Als es ihm bewusst wurde, hätte er beinahe das Fernglas fallen lassen.
Es war kein großes Fahrzeug – es waren mehrere Autos, die näher kamen. Nein …
Dutzende.
Eine Karawane, Stoßstange an Stoßstange, hielt auf Sweetness zu! Und wenn er sich die Arme und Köpfe ansah und vor allem die langen Haare, die aus den Cabrios und heruntergelassenen Scheiben wehten, waren die Wagen voller Frauen. Voller heißer, begieriger, williger Frauen!
Porter schlug sich auf den Oberschenkel und schrie vor Freude auf. Er winkte, obwohl er wusste, die Chance, dass jemand ihn aus dieser Entfernung sehen konnte, war bestenfalls gering. Doch die Anzeige hatte Erfolg gebracht – er konnte es kaum erwarten, Marcus davon zu erzählen! Er be-festigte das Fernglas an seinem Gürtel, während er nach seinem Handy suchte, und eilte zu der langen schmalen Leiter. Mit einer Hand hielt er sich fest und begann den Abstieg. Mit der anderen drückte er die Kurzwahltaste, um seinen Bruder anzurufen. Er wünschte, er könnte dessen dummes Gesicht sehen, wenn er ihm die Neuigkeiten mitteilte.
Plötzlich fiel Porter ein, dass er sein Hemd oben vergessen hatte. Nur ein Moment der Unaufmerksamkeit – und er verfehlte die nächste Sprosse. Er rutschte ab und konnte sich mit einer Hand nicht halten. Sein Innerstes krampfte sich zusammen, als ihm durch den Kopf schoss, wie tief er fallen würde. Wenige Sekunden lang fuchtelte er noch mit den Armen, bevor er aufgab und sich eng zusammenkrümmte, um den unvermeidlichen und sicher grauenvollen Aufschlag ein wenig zu mildern.
Porter fluchte, während er fiel. Typisch für ihn, dass gerade jetzt eine ganze Wagenkolonne mit Frauen ankam – und er würde mit gebrochenem Genick am Fuße des Wasserturms liegen.
2. KAPITEL
D er harte Aufprall ließ jeden Knochen in Porters Körper knacken und raubte ihm den Atem. Sekundenlang lag er auf dem Rücken und wartete darauf, dass der erste Schmerz nachließ, ehe er es wagte, Luft zu holen. Als ihm nichts anderes übrig blieb, registrierte er erleichtert, dass
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