Liebe ist kein Beinbruch
Funksprechgerät, wenn du in Schwierigkeiten gerätst“, rief er. „Und sei vorsichtig, wenn du die Leiter hochkletterst!“
Nikki ignorierte ihn und gab Gas. Nachdem sie zunächst etwas hin und her geschlingert war, lenkte sie das Quad auf den Weg, der sie zum Wasserturm führen würde.
Ihr Adrenalinspiegel stieg, als das Fahrzeug die Anhöhe hinauffuhr. Die Vibrationen des Motors schwangen in ihr nach und schärften ihre Sinne. Der dunkle Geruch von Moos und Erde stieg ihr zusammen mit dem Duft von Gras und Blumen in die Nase. Ihre Allergie schien ein bisschen abgeklungen zu sein, obwohl sie sich sicher war, dass es nichts mit der Lakritze zu tun haben konnte. Vielmehr wirkten endlich die Antihistamine, die sie in hohen Dosen eingenommen hatte. Die frische Luft fühlte sich unglaublich an auf ihrem Gesicht.
Die Bäume auf der anderen Seite des Weges strotzten vor Leben – saftige grüne Blätter und dicke Nüsse hingen an den Zweigen, Vögel zwitscherten und Eichhörnchen sprangen von Ast zu Ast. Die Büsche bogen sich unter dem Gewichtvon Blüten und Hummeln. Hoch am Himmel stand die Sonne und schickte ihre Strahlen durch das Blätterdach auf den steinigen Weg, der vor ihr lag. Sie dachte an Porters Warnungen und verlangsamte das Fahrzeug, als die Anhöhe steiler wurde, aber der Gedanke an diesen Mann machte sie richtig wütend.
Auf sich selbst.
Weil sie ihn an dem Tag, als er das verwundete Kitz gebracht hatte, so nahe an sich herangelassen hatte. Und weil sie eine Sekunde lang geglaubt hatte, dass zwischen ihnen eine besondere Verbindung bestünde oder dass sie sich nach ein bisschen Sex besser fühlen würde.
Zum Beispiel wegen Darren, der sie verlassen hatte.
Stattdessen hatte sie sich nach der Begegnung mit Porter nur noch schlechter gefühlt. Ihre Furcht, dass Männer sie nur wollten, weil sie in dem Moment gerade verfügbar war, war bestätigt worden. Und beinahe hätte sie ihre berufliche Moral über Bord geworfen, weil sie sich mit einem Patienten eingelassen hatte. Sie musste weg, um einen klaren Kopf zu bekommen, und sie kannte keinen besseren Ort dafür als den Wasserturm.
Im Übrigen wollte sie mit ihrer ehemaligen Chefin Dr. Hannah sprechen. Und sie vermisste ihre Freundin Amy. Die anderen Frauen aus Broadway lebten sich in Sweetness ein und schufen sich hier ein neues Zuhause. Sie wollte gern mit einem Außenstehenden sprechen, mit jemandem, der ihr versichern konnte, dass sie nicht hierher gehörte.
Zwanzig Minuten später fuhr Nikki schräg zum Hang die letzte Steigung vor dem Wasserturm hinauf. Sie beugte sich auf dem Geländefahrzeug nach vorn und gab stetig Gas. Der Motor heulte auf. Als die Reifen durchdrehten, hatte sie kurz Angst, stecken zu bleiben. Doch mit einem Mal fanden die Räder wieder Halt, und das Fahrzeug schoss über den Rand des Abhangs auf ebenen Grund.
Sie ging vom Gas und hielt neben der Leiter. Dann stelltesie den Motor ab und zog den Helm ab. Die plötzliche Stille war misstönend. Nikki hatte sich schon oft in ihrem Leben allein gefühlt, aber nie so einsam wie in diesem Moment.
Ihr Herz schlug schneller. Hatte Porter nicht etwas über Bären gesagt? Und es gab hier auch Schlangen. Erst gestern war einer der Arbeiter gebissen worden. Natürlich hatte der Mann, als sie auf der Baustelle aufgetaucht war, seine Wunde lieber von Doc Riley versorgen lassen wollen. Da es eine ungiftige Schlange gewesen war, hatte sie es geduldet. Doch durch ihre Recherchen wusste sie, dass es hier in den Bergen mindestens sechs Arten von Giftschlangen gab. Klapperschlangen waren freundlich genug, um wenigstens vorzuwarnen, ehe sie angriffen, aber die anderen Arten waren nicht so rücksichtsvoll.
Plötzlich war Nikki sich gar nicht mehr so sicher, ob ihre Entscheidung, allein sein zu wollen, richtig gewesen war.
Sie blickte sich um, doch außer Bäumen und Büschen und entwurzelten Stämmen konnte sie nichts entdecken. Irgendwann begannen die Insekten und Vögel, die durch das Geräusch des Geländefahrzeugs gestört worden und verstummt waren, wieder zu zirpen und zu singen. Nikki entspannte sich.
Um die Leiter packen zu können, stellte sie sich auf den Sitz des Quads und zog sich hinauf. Der Aufstieg war belebend. Genau das hatte ihr Körper gebraucht. Als sie die Plattform des Wasserturms erreicht hatte, klebte die Bluse an ihrem Rücken, und ihre Muskeln zitterten. Der riesige Metalltank strahlte Hitze ab, aber eine kleine Brise kühlte ihren verschwitzten Nacken.
Sie ging
Weitere Kostenlose Bücher