Liebe ist kein Beinbruch
zur Vorderseite des Wasserturms und nahm die unglaubliche Aussicht in sich auf. Sie atmete tief ein und dann wieder aus und hoffte, den Druck, den Stress, der sich über Wochen in ihr angestaut hatte, ein bisschen mildern zu können. Tränen über so vieles stiegen ihr in die Augen. IhreGedanken überschlugen sich und förderten schmerzhafte Bilder zutage. An Darren zu denken machte sie fast atemlos vor Kummer. Sie wusste, dass sie eindeutig ohne ihn besser dran war, wenn er bereits vor der Hochzeit das Bedürfnis hatte, fremdgehen zu müssen. Doch sie trauerte um die guten Zeiten, die sie geteilt hatten, und um die gemeinsamen Möglichkeiten.
Sie fühlte sich vom Universum hereingelegt. Sie hatte sich irgendwann zwischen dem Beginn ihres Studiums und dem Abschluss ihrer Arztausbildung getrennt von dem romantischen Bild trauter Zweisamkeit bis ans Ende ihrer Tage. Dann war Darren Rocha aufgetaucht und hatte sie dazu gebracht, zu glauben, dass sie sich geirrt haben musste. Und gerade als sie sich erlaubt hatte, glücklich zu sein, hatte er ihr bewiesen, dass sie die ganze Zeit über recht gehabt hatte.
Und jetzt drohte sie schon wieder einem Mann zu verfallen, bei dem sie sich wertlos fühlte.
Tief enttäuscht atmete Nikki durch. Was stimmte nicht mit ihr, dass sie sich ausgerechnet zu solchen Männern hingezogen fühlte?
Sie nahm ihr Handy aus der Tasche und hielt es hoch, bis die kleinen Balken im Display eine stabile Netzverbindung anzeigten. Das Telefon vibrierte, und das Symbol für abrufbare Sprachnachrichten erschien. Eine Nachricht war von Amy, die nur hören wollte, ob Nikki schon auf dem Weg zurück nach Broadway sei. Eine Nachricht war vom Verwalter des Apartmenthauses, in dem Nikki gelebt hatte. Er wollte wissen, wohin er die Post weiterleiten solle. Es erinnerte sie daran, wie schnell und unbedacht ihre Entscheidung gewesen war, der Stadt den Rücken zu kehren.
Und eine Nachricht war von Darren.
Nikki zog sich der Magen zusammen, als sie seine raue Stimme hörte. „Hi, Nikki, ich bin es. Ich habe erfahren, dass du die Stadt verlassen hast, und rufe nur an, um zu hören, obes dir gut geht.“ Seine Stimme klang leise und ein bisschen unklar, als hätte er ein paar Gläser Wein getrunken. „Und ich wollte sagen … falls es dir etwas bedeutet: Es tut mir leid, wie alles gelaufen ist. Okay … tschüs.“
Nikki atmete tief ein und aus. Er rief an, um zu hören, wie es ihr ging? Was, wenn es ihr nicht gut gehen würde? Was dann? Und es tat ihm nicht leid, ein verlogener Betrüger zu sein – es tat ihm leid, wie die ganze Sache gelaufen war? Als hätte er keine Schuld an dem, was passiert war! Sie bemerkte, dass ihre Wangen feucht waren. Ungeduldig wischte sie mit dem Handrücken darüber. Wie hatte sie ihr Herz an jemanden verschenken können, der so rücksichtslos damit umging?
Sie gestattete sich noch ein paar Tränen, ehe sie sich über das Gesicht fuhr. Ihre Großmutter hatte immer gesagt, dass es keinen Sinn habe, über verschüttete Milch zu weinen. Diese Worte waren Nikki nie angebrachter und richtiger vorgekommen als in diesem Moment. Was geschehen war, war geschehen. Sie musste nach vorn schauen.
Nikki wählte Amy Bradshaws Nummer und lächelte, als Amy sich meldete. „Grüße aus dem Kuhkaff“, sagte Nikki.
„Nikki! Du bist immer noch in Sweetness? Ich dachte, du wolltest so schnell wie möglich zurück nach Broadway.“
„Es gibt … mildernde Umstände.“
„Hat das irgendetwas mit einem Kinngrübchen zu tun?“
Nikki straffte die Schultern. „Nein. Mein Van ist noch immer nicht repariert, und ich kümmere mich um ein verwundetes Rehkitz.“
„Bist du jetzt Tierärztin?“
„Nein. Aber niemand sonst konnte sich darum kümmern. Und dann ist da auch noch Nigel.“
„Nigel?“
Sie wand sich ein wenig. „Rachel Hutchins’ Mops. Er hat eine Lebensmittelvergiftung.“
„Hast du überhaupt menschliche Patienten?“
„Im Augenblick nur Porter Armstrong“, murmelte Nikki.
„Und, nutzt er sein gebrochenes Bein aus?“
„Er hat auch eine Lebensmittelvergiftung.“
„Wie haben die beiden, dieser Kerl und Rachels Hund, sich denn eine Lebensmittelvergiftung eingefangen?“
„Von Rachel.“
Amy lachte. „Ich schätze, das ist auch ein Weg, um einen Mann in die Horizontale zu bekommen. Und sonst wird in der Stadt niemand krank?“
„Viele Frauen haben Allergien … Die Männer scheinen einen weiblichen Arzt allerdings vollkommen abzulehnen. Hier gibt es einen
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