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Liebe ist stärker als der Tod

Liebe ist stärker als der Tod

Titel: Liebe ist stärker als der Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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wegzureden.
    Sie blickte sich um, lachte und winkte. Und er winkte zurück, lachte auch und hupte, das Dröhnen der Pferdehufe spürte er bis in seinen Wagen, aber er spürte auch, wie Tränen in seine Augen traten und ihm die Wangen herunterliefen.
    Zwei Monate noch, wenn ich wie ein Adler lebe.
    Er blickte in den feurigen Abendhimmel und begann zu schluchzen.
    *
    Ein normales Auto fährt von der alten Mühle ›La Roche‹ bis zu den weißgekalkten Häusern von Le Paradis knapp eine Viertelstunde. Es sind keine Straßen dazwischen, noch nicht einmal richtige Wege, mehr von Karren und Pferdeherden ausgestampfte Pfade durch diese Urlandschaft. ›Mes Rues‹ brauchte über eine halbe Stunde, auch wenn Pierre kräftig auf das Gaspedal drückte und Ev auf ihrem weißen Pferd das Tempo mit ihrem Galopp angab.
    Aber sie erreichten an diesem Tag Le Paradis nicht mehr in der Fröhlichkeit, mit der sie sich gegenseitig überholten: Mal ›Mes Rues‹, mal das Pferd … ein übermütiges Spiel voll Lachen und Winken, Lebensfreude und dem Wissen, daß man sich nachher in der kleinen Fischerhütte in die Arme fallen würde.
    Auf halbem Wege, zwischen zwei Tümpeln voller blausilbern schimmernder Enten, Stelzen und stolzen Reihern, überfiel der wahnsinnige Schmerz wieder den zu einer Gegenwehr nicht mehr fähigen Körper Pierres. Wie mit einem Messer wurde seine Leber durchschnitten, er umklammerte das Lenkrad, nahm den Fuß vom Gaspedal, fiel mit dem Kopf vornüber gegen die Frontscheibe und krümmte sich. Der Wagen rollte aus, der Motor tuckerte noch ein paarmal und starb dann ab. Ev, die vorausgeritten war, merkte erst, daß Pierre nicht mehr hinter ihr war, als Bouillon an ihrer Seite fehlte. Jaulend war er zurückgelaufen und sprang jetzt draußen an der Tür des Autos hoch.
    Pierre hatte den Mund aufgerissen, als könne durch ihn der irrsinnige Schmerz entweichen. Er schrie nicht … er atmete nur in raschen Stößen, und es war, als löse sich seine Lunge auf. Er hatte den Kopf etwas gedreht, lag mit der linken Schläfe auf dem Lenkrad und sah Bouillon, wie er immer wieder an der Tür hochsprang und sein geliebter häßlicher Kopf für eine Sekunde am Fenster erschien.
    »Hund …«, sagte Pierre. Es war das erste Wort, das ihm wieder gelang, ein Wort, eingebettet in feurige Qual, die jetzt durch seinen ganzen Körper flammte, als verbrenne er von innen. »Hund … jetzt hast du es geschafft …«
    Er meinte damit den längst vergangenen ›Mylord‹, den Hunde-Clochard, der damals vornehmer war als sein junger Herr. Aber er sagte es auch zu Bouillon, dem häßlichsten Hund von Paris, und in dem Wort ›Hund‹ lag Verzweiflung und Liebe, Haß und Resignation, Dankbarkeit und Fluch.
    Ev galoppierte zurück. »Pierre!« rief sie schon von weitem. »Was ist? Hast du kein Benzin mehr?« Sie schwenkte dabei ihr Kopftuch über den im Wind wehenden Haaren, stand halb in den Bügeln und lachte schallend. »Ich werde dich abschleppen! Pierre de Sangries und sein Auto werden von einem Pferd durch die Camargue gezogen! Wäre das kein Bild, Pierre?«
    Sie hielt neben dem Auto, sah Bouillon winselnd und heulend hochspringen und Pierres Kopf auf dem Lenkrad. Er sah sie an, mit weiten, leeren Augen, und es waren plötzlich nicht mehr Pierres dunkelbraune Augen, sondern zwei Flecken in seinem verzerrten, gelblichen, knochigen Gesicht.
    »Pierre!« schrie sie und sprang vom Pferd. »Pierre, was ist? Mach keine dummen Witze! Pierre! Das ist kein Spiel mehr!«
    Sie riß die Tür von ›Mes Rues‹ auf, und der erste, der hineinsprang, war Bouillon, hockte sich neben Pierre auf den Sitz und leckte ihm jaulend die um das Lenkrad gekrallten Hände.
    Ev umklammerte Pierres Kopf und hob ihn etwas ab. In ihren Händen begann er jetzt zu zittern, der ganze Körper wurde durchgeschüttelt, als durchränne ihn trotz der heißen Sonne an diesem unendlichen, fahlblauen Himmel ein wilder Frost. Er begann mit den Zähnen zu klappern, seine Hände lösten sich vom Lenkrad, und seine Arme umschlangen Evs Nacken, als müsse er sich an ihr festhalten, um nicht völlig in den unerträglichen Schmerzen zu versinken.
    »Pierre –«, stammelte sie fassungslos. »Pierre … was ist denn? Sag doch etwas … Liebling, sag doch etwas … Pierre … o mein Gott …« Sie hielt ihn fest, er drückte sich an sie wie ein ängstliches, Schutz suchendes Tier, knirschte mit den Zähnen, zitterte und wunderte sich selbst, woher er jetzt die Kraft noch nahm, seinen

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