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Liebe ist stärker als der Tod

Liebe ist stärker als der Tod

Titel: Liebe ist stärker als der Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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weiß gedeckten langen Tisch. »Die Freude ging mit ihnen durch. Du siehst hier eine seltene Versammlung: alles Väter eines Kindes –«
    Eva stand mit hängenden Armen da, allein, so, als sei jeder von ihr zurückgewichen. Ein einsames Wesen.
    »Was heißt das?« hörte sie Madame Chabras fragen. Und sie hörte, wie Jules antwortete:
    »Mama, das weißt du nicht, das hast du nicht gemerkt? Mademoiselle ist ein flottes Mädchen, jetzt bekommt sie ein Baby, und alle an dem Ereignis Beteiligten fühlen sich wie eine große Familie. Vierzehn Väter – es wird ein Prachtkind werden –«
    So wird ein Mensch zerrissen, dachte Eva und schloß die Augen. Bei lebendigem Leib und vollem Bewußtsein zerrissen. Und es tut nicht einmal weh. Nur eine fürchterliche Leere ist da, eine grenzenlose Einsamkeit, der selige Wunsch, nichts mehr zu hören und zu sehen, zu fühlen und zu begreifen. Die Sehnsucht nach Schlaf. Ausruhen, von allem ausruhen.
    Jules, warum hast du das getan? Vierzehn Freunde, die schwören werden, es mit mir getrieben zu haben. Wer wird mir glauben, daß ich keinen von ihnen kenne?
    Ich weine nicht, Jules, ich kann nicht weinen … ich bin ganz einfach leer …
    »Eva, was haben Sie dazu zu sagen?«, hörte sie Myrna Chabras' etwas schrille Stimme. »Eva, ist das wahr …?«
    Eva schwieg. Sie drehte sich langsam um und verließ die Terrasse, Schritt um Schritt, als würden ihre Gelenke von einer Feder getrieben.
    »Das ist ja unfaßbar –«, hörte sie, ganz weit weg, Myrna Chabras' Stimme. »Mit … mit Ihnen allen … skandalös!«
    Dann war Eva im Roten Salon, begann zu laufen, rannte die Treppe hinauf in ihr Zimmer, schloß sich ein, und erst hier, das Gesicht in das Kissen gepreßt, begann sie zu schreien … schrie sie ihr Herz heraus, ihren Glauben an die Menschheit, an die Liebe …
    *
    »Babette, gehen Sie hinauf zu Mademoiselle und sehen Sie nach, wo sie bleibt!« sagte James, der Butler, an diesem Morgen mit würdigem Ärger. »Wir können hier nicht warten und den Zeitplan durcheinander bringen.«
    Babette, die Hausdame der Chabras, verantwortlich für Wäsche und Geschirr, nickte und lief zur Küche, wo eine besondere Personaltreppe – auch als Fluchttreppe bei einem etwaigen Brand gedacht – nach oben führte. Nach drei Minuten erschien ihr verstörtes Gesicht über dem barocken Geländer der Herrschaftstreppe. James blickte unwillig nach oben.
    »Na?« fragte er steif.
    »Mademoiselle Eva ist nicht da.«
    »Was heißt: Nicht da?!«
    »Das Bett ist unberührt. Auf dem Kopfkissen liegt ein Brief, adressiert an den jungen Herrn.«
    »Benachrichtigen Sie Monsieur Jules, Babette.« James wandte sich den anderen zu. In ihren Mienen las er viele Fragen, er wischte sie mit einer umfassenden Handbewegung fort. Ein guter Butler hört, sieht und riecht viel – und vergißt es.
    »Bis auf Monsieur Jules sind die Herrschaften heute nicht im Haus«, sagte er in seiner unterkühlten britischen Art. »Wir wollen das ausnutzen und Terrasse einschließlich Treppe schrubben.«
    Babette hatte große Mühe, Jules Chabras aus dem Bett zu holen. Sie klopfte eine Viertelstunde mehr oder weniger heftig gegen die Tür, bis Jules endlich öffnete. Ein unrasiertes, verquollenes, rotäugiges Gesicht. Ein Atem voll saurem Alkohol. Er hielt sich an der Tür fest und starrte Babette böse an.
    »Kommt der Wahnsinn, mich zu wecken, von Ihnen allein?« knurrte er. »Babette, Sie waren für mich nie ein weibliches Wesen – jetzt werden Sie ein Brechmittel!«
    »Mademoiselle Bader ist nicht auf ihrem Zimmer«, sagte Babette. Sie hatte es sich abgewöhnt, sich in diesem Haus beleidigen zu lassen. Es war ein gutes Haus, und Worte taten nicht weh, wenn man sich ein dickes Fell überzog.
    »Nicht in ihrem …« Jules Chabras strich über das Gesicht. »Wieso?«
    »Das Bett ist unberührt …«
    »Unberührt? O lala!« Jules grinste. »Das wird etwas sein, was Mademoiselle Bader in dieser Nacht bestimmt nicht im Sinn hatte.«
    »Sie hatte nicht ihren freien Tag.«
    »Katzen klettern bei jedem Mondschein über die Dächer.«
    »Es liegt ein Brief auf dem Kopfkissen. Ein Brief für Sie, Monsieur.«
    »Für mich?« Jules wurde munterer. »Ich sehe mir das an.« Er ging ins Zimmer zurück, zog seinen seidenen Morgenmantel an und folgte Babette zwei Treppen höher zu den Personalzimmern.
    Evas Zimmer war aufgeräumt, ordentlich wie in einer Möbelausstellung. Jules nahm den Brief an sich, steckte ihn in die Manteltasche, öffnete den

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