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Liebe ist stärker als der Tod

Liebe ist stärker als der Tod

Titel: Liebe ist stärker als der Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Schrank und dann die Schubladen der Kommode.
    »Alles da –«, sagte Babette. »Die Kleider, die Wäsche … Verstehen Sie das, Monsieur?«
    »Einen Augenblick.« Jules Chabras trat an das schräge Fenster, riß das Kuvert auf und faltete den Brief auseinander. Nur ein paar Zeilen … er überflog sie schnell.
    »Es wäre sinnlos, Dich zu verfluchen. Das klingt so altmodisch und dramatisch. Nein, lebe so weiter, wie Du bis jetzt gelebt hast. Dein eigenes Leben wird Dir die Rechnung präsentieren. Wir haben zwischen uns keine Rechnung mehr offen – ich habe alles gestrichen. Dich, mich und das Kind. Für immer …«
    Jules faltete den Brief wieder zusammen und steckte ihn zurück in die Tasche. Er empfand weder Entsetzen noch Mitleid, Schuld oder Angst, Reue oder den Willen, das Schreckliche zu verhindern. Er empfand nur einen großen Durst und sehnte sich nach einem randvollen Glas Wodka mit Bitter Lemon.
    »Was ist?« fragte Babette nach einer Weile Schweigen. »Ist etwas passiert, Monsieur?«
    »Passiert? Nein! Was denn?« Jules lachte beruhigend. »Es ist nichts! Eva Bader ist zurück nach Deutschland. Paris war anscheinend doch nicht das richtige für sie. Über Benehmen kann man sich streiten.« Er schnippte mit den Fingern und zeigte auf den offenen Schrank. »Die Kleider stellt sie zur Verfügung. Babette, lassen Sie sie zur Caritas bringen. Mademoiselle kommt nicht wieder …«
    Er zögerte, blickte sich noch einmal im Zimmer um, streifte das Bett mit einem schnellen Blick, die offen stehenden Schubladen, in denen Evas Wäsche sauber geschichtet lag, drehte sich dann schroff ab und verließ den Raum.
    Beim Hinuntergehen zerriß er den Brief in seiner Tasche, legte in seinem Zimmer die Fetzen in einen großen Aschenbecher und verbrannte sie. Noch während die Flammen züngelten und leichter dunkler Rauch gegen die Decke stieg, schellte das Telefon, und eine träge Mädchenstimme sagte:
    »Jules, habe ich dich geweckt, Liebling? Warum bist du nicht bei mir? Die Nacht war so kurz – Ich liebe dich, ich liebe dich …«
    Und Jules Chabras antwortete, während er in die verlöschenden Flammen blickte:
    »Ich denke auch an dich, chérie. Hast du Lust, am Wochenende mit nach St. Tropez zu fahren …?«
    *
    Die Rue Princesse ist keine Straße, die man mit Stolz vorzeigen kann.
    Das ändert aber nichts daran, daß die Bewohner der Rue Princesse stolz auf ihre Straße sind.
    Sie sind stolz, daß jeder der beste Freund des anderen ist. Sie sind stolz, daß in der Rue Princesse drei Jahre lang ein Mann gelebt hat, der zwanzig Bücher geschrieben hat, ein Genie war, aber eines Morgens verhungert in seinem Bett lag. Sie sind stolz auf diese alten, wie angenagt wirkenden Häuser, auf diese blinden Fenster, auf die schief in den Führungen hängenden, ausgebleichten Holzjalousien, in denen der Wind klappert wie mit Kastagnetten. Und sie sind stolz auf die unbedingte persönliche Freiheit dieser Straße, denn wer in der Rue Princesse gelandet ist, hat es nicht mehr nötig, nach anderen zu sehen, andere zu fragen, sich nach anderen auszurichten. Er lebt allein sein eigenes Leben in trauter Gemeinschaft mit Küchenschaben und merkwürdig kleinen Ratten, die in den Höfen und Kellern hin- und herhuschen und keinen anfallen. Anscheinend wissen auch sie, daß die Rue Princesse ein Paradies ist für die, die Paradiese zu erkennen vermögen.
    »Hier ist es«, sagte Pierre. Er blieb vor einem der alten Häuser stehen und nickte zu ihm hin. Eine graubraune Fassade, große Flecken abgeschlagenen Putzes. Die Tür offen, in einen Schlund von Flur führend. Ein Hund lag vor dem Eingang auf dem Trottoire, dick, faul, genau in dem schmalen Sonnenstrahl, der jetzt schräg in die Straße fiel. Irgendwoher schallten zankende Stimmen. Eine Frau und ein Mann. Er nannte sie Hure, sie antwortete mit ›impotenter Esel‹. Ein Alter saß zwei Häuser weiter in einem Rohrsessel auf der Straße, hielt ein Hörrohr hoch und genoß mit verzücktem Gesicht diese eheliche Vorstellung.
    »Hier wohnen Sie?« fragte Ev und sah an dem Haus empor. »Wo?«
    »Man kann es von hier aus nicht sehen. Oben. Auf dem Dach. Das heißt, unter dem Dach. Nach hinten 'raus. Eine Art Atelier. Denken Sie jetzt bloß nicht an Bohème, Ev. Das ist Opernromantik. Die Wirklichkeit ist erdrückender. Heute haben Sie Glück. Ich habe noch zwei Francs in der Tasche … damit werde ich uns ein Frühstück zaubern.«
    Er nahm Ev die Leinwandrahmen ab und überlegte, wie er bei

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