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Liebe ist stärker als der Tod

Liebe ist stärker als der Tod

Titel: Liebe ist stärker als der Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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beredete, es blieb eine Wahrheit übrig, und diese Wahrheit war Pierres Natur, die sich kaum von der anderer malender Genies unterschied: Er würde nie tagaus, tagein Konsumbilder malen … und sie war sich jetzt fast auch sicher, daß Pierre nicht die Erlaubnis geben würde, seine Bilder in zweiundvierzig von Russen gefahrenen Taxis ausstellen zu lassen.
    Madame griff zum Telefon und drehte seufzend eine mehrstellige Nummer.
    Eine Stimme meldete sich. Eine fröhliche, frische Mädchenstimme.
    »Galerie Callac …«
    Endlich ein Lichtblick. Madame überfiel eine echte Rührung.
    »Ich küsse dich, mein Kind –«, sagte sie dröhnend. »Ich küsse dich …«
    *
    Der Herbst war nun endgültig und mit einem widerlichen Regen über Paris hergefallen, hatte die Bäume entblättert, feuchte Kälte in die Häuser getrieben und elftausendfünfhundert Ärzte zufrieden gemacht, denn Schnupfen, Grippe und Bronchitis sind Saisonkrankheiten, mit denen man kalkulieren kann und die mit relativ wenig ärztlichem Aufwand einen verhältnismäßig guten Kontostand garantieren.
    Durch Paris fuhren zweiundvierzig Taxis, von Russen gelenkt, und hatten – in allen Zeitungen las man darüber zwischen fünf und sieben Zeilen! – an die Lehne der Vordersitze Gemälde eines gewissen Pierre de Sangries genagelt. Ein Kunstkritiker schrieb sogar giftig: »Wenn diese Methode Schule macht, wird man bald in allen Pissoirs bemalte Leinwände bewundern können!« Und ein Karikaturist zeichnete ein Bild, auf dem ein Mann in einer Bedürfnisanstalt mit hohem Strahl sein Wasser abschlägt, vor sich an der Wand ein Gemälde mit dem Titel ›Abendstimmung am Cap d'Antibes‹. Der Zeichner war der Schwager des Kunstkritikers.
    Pierre de Sangries war ins Gespräch gekommen, aber anders, als es Wladimir Andrejewitsch und Madame gewollt hatten: Ganz Paris lachte über ihn achtundvierzig Stunden lang. Dann vergaß der Moloch Stadt ihn: Er hatte ihn gefressen.
    Marius Callac schämte sich in solchem Maße, daß er zehn Tage lang es ablehnte, mit Cosima Lebrun ein Wort am Telefon zu sprechen. Und sie rief jeden Tag dreimal an. Callac segnete den Tag, der ihm Eva Bader beschert hatte … er fand zwar nichts in seinem aufgeräumten Büro wieder, aber er brauchte nur einen Wunsch zu äußern und wußte, daß er präzise erfüllt wurde. Er zeigte diese Zufriedenheit zwar nicht, blieb der alte Giftzahn, erweckte den Anschein, als sei er dauernd von seiner Umwelt betrogen … aber wenn er Ev den Kognak zuschob oder ihr (wer hätte das jemals von Callac vermutet) mit einem Feuerzeug die Zigarette anzündete, herrschte zwischen ihnen die Idylle einer völligen Zufriedenheit.
    Anders bei Pierre.
    Er malte, aber nicht für Wladimir Andrejewitsch und seine zweiundvierzig russischen Kollegen. Er malte Ev … Madame hatte das kommen sehen und betrachtete es als eine Katastrophe. Er hatte zwar auch Monky gemalt, aber solange er dieses langbeinige, erotische Püppchen auf die Leinwand zauberte und mit ihr nachher ins Bett stieg, war er noch normal gewesen, wie es Madame ausdrückte. Wenn es nötig war, übermalte er dann später die bewußten Gegenden von Monkys aufreizendem Körper, setzte eine Konservendose oder eine Zahnpastatube daneben und verkaufte alles als Plakat. Wenn der Erlös auch gering war – so ein Bild war wenigstens verkäuflich! Was er dagegen jetzt malte, betrachtete Madame als reinen Wahnsinn.
    Ev als Bauernmädchen in einem Kornfeld. Ein Bild, so sonnig, daß man die Augen zusammenkneifen mußte, sonst blendete es.
    Ev als Winzerin in einem provençalischen Weinberg. Man konnte das allerdings nur ahnen: Das ganze Bild war aufgelöst in farbige Flecken. Ein Farbenrausch, der erst Form gewann, wenn man zwei Meter zurücktrat und viel Phantasie hatte.
    Faszinierend das alles, genial – das räumte Madame ein – und wie ein Vulkan aus Pierre herausbrechend … aber wer kaufte so etwas? So kann man malen, wenn man Sisley heißt, aber nicht Pierre de Sangries, den keiner kennt. Pardon, über den tout Paris gelacht hat … das ist fast mehr als der Tod.
    Merkwürdig war, daß Pierre selbst so etwas nicht empfand.
    Als Wladimir Andrejewitsch nach den Zeitungsmeldungen, der Kritik und der Karikatur bei Madame in die Küche stürzte und brüllte: »Ich werde heute einige Morde begehen, Madame! Wenn die Presse mit dem Wort töten darf, darf ich es auch mit der Waffe in der Hand! Ich kann es mir leisten, ich bin Russe, mir nimmt man Chaos mit Genuß ab!«,

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