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Liebe ist stärker als der Tod

Liebe ist stärker als der Tod

Titel: Liebe ist stärker als der Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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versucht.«
    »Und wie hättest du darauf reagiert?«
    Sie dachte nach, es war eine heikle Frage, und dann sagte sie: »So etwas fragt man nicht, Pierre.«
    »Das stimmt. Ich habe auch nie danach gefragt.«
    Sie schwiegen wieder, blickten an die Decke, über die ganz schwach der zuckende Widerschein irgendeiner fernen Lichtreklame flimmerte. Der Regen trommelte auf das Dach, einschläfernd, das wonnige Gefühl verstärkend, trocken und warm in einem Bett zu liegen.
    »Ich habe heute von Monsieur Callac hundert Francs mehr an Gehalt bekommen«, sagte sie.
    »Gratuliere, Ev.« Er streckte sich lang aus und drückte die geballten Fäuste gegen seine Lenden. »Du hast es geschafft. Du wirst es immer schaffen. Wann ziehst du aus?«
    »Bist du verrückt, Pierre?«
    »Du kannst dir mehr leisten als ein mit Zeitungen tapeziertes Dachzimmer.«
    »Dreh dich auf die Seite und schlaf«, sagte sie fast grob. »Welch einen Unsinn redest du! Ich habe übrigens den Roman auf der linken Wand noch nicht zu Ende gelesen.«
    »Es lohnt sich nicht. Ein idiotisches Thema.« Er atmete langsam, um seine Erregung nicht in seine Stimme fließen zu lassen. »Ein Mann und eine Frau, die sich vor Liebe fast auffressen –«
    »Das soll eine gute Mahlzeit sein …«, sagte sie und löschte das Licht.
    *
    Ab und zu gönnten sie sich den Luxus und gingen zum Abendessen in ein Bistro. Sie blieben dabei in Saint-Germain-des-Prés, liefen Arm in Arm durch den Regen und hielten den alten schwarzbespannten Regenschirm über sich, der noch aus der Hinterlassenschaft des Dachdeckers Lebrun stammte und der sogar bei den Marktständen in der Rue Moffetard bekannt war, seitdem Madame Coco mit ihm auf eine Marktfrau eingedroschen hatte, die zwei faule Birnen ganz unten in die Tüte geschmuggelt hatte.
    Es waren nicht die teuren Lokale wie Le Bistro de Paris, wo man einen Rothschild oder die Sagan sitzen sehen konnte … an ihnen gingen sie nur vorbei, schauten sie von außen an und wanderten dann weiter zu ihren ebenso guten, aber für einen Ausflug in den Leichtsinn erträglicheren Gaststätten.
    Da war ›Au vieux Paris‹, stets überfüllt mit Künstlern, von einem griechischen Ehepaar geleitet. Dort wußte man, was man für sein Geld bekam, es gab eine feste Spezialitätenkarte, die sich so las: Montag – Midittées (das sind kleine Würstchen aus Rindfleisch), Dienstag – Fritto misto, Mittwoch – Briks et Cous-Cous-Omlettes. Donnerstag war geschlossen. Freitag – Calmars à la Creque (Tintenfisch in Weinsoße) … man aß schon vorher im Geist beim Lesen der Speisekarte.
    Und es gab das Bistro ›Aux Beaux-Arts‹ mit riesigen Portionen zu billigen Preisen, das ›Aux Assasins‹, über zwei Etagen, zum Brechen voll und voll Gesang und Fröhlichkeit, und auf dem Boulevard Saint Germain das ›Vagenende‹, ein Restaurant à la Belle Epoque, wo man zwischen Plüsch und Pleureusen saß und sich zurückversetzt fühlte in das Jahr 1900.
    »Verschwender!« rief Madame Coco jedesmal, wenn sie unter ihrem Schirm davonliefen. »Verfreßt nur das gute Geld!« Aber später saß sie dann in der Küche, wartete an der offenen Tür und befahl die Rückkehrer in ihre Wohnung.
    »Was hat's gegeben?« fragte sie jedesmal. Sie war ein Denkmal des Beleidigtseins. »Es gibt in ganz Paris nichts, was besser schmecken könnte als bei mir!«
    Am meisten waren Pierre und Ev im Bistro ›Chez Augustine‹ in der Rue de la Seine. Hier fühlten sie sich wohl, die Tische waren mit Wachstüchern bedeckt oder mit Papiertischtüchern, es wurden Portionen ausgeteilt, bei deren Größe und Güte man nicht wußte, was man mehr bewundern sollte: Die Kunst, so zu kochen oder die Rechenkunst, mit solch niedrigen Preisen auszukommen.
    Und hier, vor dem Eingang zu ›Chez Augustine‹, sahen sie ihn. An einem Novemberabend, so grau und naß, so windig und allem feindlich, daß man nur eines im Sinn hatte: An den Häuserwänden entlang zu laufen und schnell zum Ziel zu gelangen.
    Er hockte an einem Kellerfenster, aus dem etwas Wärme von einer bullernden Heizung nach oben drang, der Regen lief an ihm herunter, und wenn er den Kopf hob, blickten seine runden Augen in die Welt mit einer stummen, verzweifelten und gleichzeitig hilflosen Anklage.
    Es war der erbärmlichste und häßlichste Hund, den Ev je gesehen hatte.
    Sie blieb stehen und hielt Pierre fest, der mit dem Schirm weiterlief.
    »Sieh dir das an!« sagte sie. Sie ging in die Hocke und blickte das durchnäßte Häuflein Leben

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