Liebe ist stärker als der Tod
kommen Sie nie weiter! Ich habe übrigens Ihr Bild für 1.200 Francs verkauft. Nehmen Sie mein Scheckbuch, und schreiben Sie sich selbst den Scheck aus.« Und als er sah, welcher Glanz in Pierres Augen lag, fügte er grantig hinzu: »Nicht jeder, der Geld für Bilder ausgeben kann, ist auch ein Kunstkenner. Ich habe Ihr Machwerk der Baronesse Guylac aufschwätzen können und mich innerlich sehr dafür geschämt –«
*
Madames Küche glich einem Heerlager.
Ponpon, ›Das Gebetbuch‹, der ›Rote Henry‹, Fürst Globotkin und fünf andere Taxifahrer, alles Russen, warteten auf Pierre. Sie tranken Kaffee, fraßen – essen wäre eine sanfte Untertreibung – von einem Backblech noch heißen Apfelkuchen, das ganze Haus duftete nach frischem Kuchen, und Madame Coco thronte inmitten der Männer wie eine gewaltige, fette, altchinesische Statue, deren Kopf Linksextremisten rot angestrichen hatten.
»Was sagt Callac!« rief Madame sofort, als sie Pierres ansichtig wurde. »Hat er für Ev die Rechnung bezahlt?«
»Wieso Callac?« Pierre nahm den Scheck aus dem Rock, leckte ihn ab und klebte ihn sich an die Stirn. Mit hocherhobenem Haupt betrat er die Küche, der ›Rote Henry‹ beugte sich zu ihm herunter, las die Summe und wandte sich an ›Das Gebetbuch‹:
»François, segne ihn! Er ist in den Himmel gekommen. Callac hat von ihm ein Bild verkauft. Wir armen Normalhungerer können mit ihm nicht mehr verkehren.«
»Alles Tricks!« schrie Madame Coco, riß den Scheck von Pierres Stirn und las ihn. »Was sagt er von Ev?«
»Ev?« Pierre setzte sich, Wladimir Andrejewitsch schob ihm ein Stück Kuchen hin, Ponpon, der Schlangenmensch, schüttete ihm eine Tasse Kaffee ein. »Die Hospitalrechnung bezahle ich …«
»Du?« Es war ein massiver Aufschrei. Dann schälte sich Madames gewaltige Stimme heraus.
»Mit diesen lumpigen 1.200 Francs? Das sind bei Professor Mauron zwei Tage!«
»Ich male für ihn.« Pierre blickte sich um und sah in ungläubige Gesichter. »Ich weiß … es lagen drei Zahlungen vor. Zwei anonyme, eine von euch, Wladi. Professor Mauron und ich haben uns geeinigt, daß alles zurückgeschickt wird. Freunde, ich kann für Ev etwas tun! Ich kann endlich mehr tun, als sie anstarren und malen. Und nächstes Jahr, im Sommer, fahre ich mit Ev in die Provence.«
»Ein Millionär!« röhrte der ›Rote Henry‹. »Sag ich es nicht, er wird ein Millionär. Vergiß uns nicht in deinem Paradies, vom Glück Geküßter!«
*
Die folgenden fünf Tage waren Regentage, wenn man sie rein meteorologisch betrachtet. Paris war häßlich … auch ewige Schönheit braucht einen gewissen Glanz.
Es geschah nichts Außergewöhnliches, wenn man davon absieht, daß – außerhalb des öffentlichen Interesses – einige verborgene Dinge den Lebenskreis weniger beschäftigten.
Die Kriminalpolizei, II. Mordkommissariat, wußte jetzt durch ballistische Untersuchungen, daß der tödliche Schuß auf Jules Chabras aus einem Mauser-Repetiergewehr abgegeben worden war. Den schwarzen großen Citroën dagegen in Paris zu finden, war aussichtslos. Auch der mögliche Täterkreis mit Motiv war mittlerweile so groß geworden, daß alle Alibinachforschungen Monate in Anspruch nehmen konnten. Es stellte sich jetzt heraus, daß Jules Chabras ein Leben geführt hatte, das ihm automatisch eine Armee von Feinden eingebracht hatte. Allein die Zahl der abgestoßenen Geliebten erreichte Regimentsstärke. Deren Verwandtenkreis wiederum war ebenfalls zur Täterschaft zu zählen, ganz zu schweigen von den Männern, denen Jules die Ehefrau, die Braut oder die Freundin weggenascht hatte.
Mama Myrna erlitt einen neuen Schock, als der leitende Kommissar darüber referierte und fuhr zur Erholung nach Antibes. Fernand Chabras, der Vater, nutzte seine Beziehungen zur Regierung aus, um diese Tatsachen nicht publik werden zu lassen.
Aber auch im 14. Arrondissement hatte Leutnant René Branne endlich einen Lichtblick. Einer der Lederjünglinge, der dauernden Verhöre überdrüssig, erwähnte nebenbei, daß bei der Zerschlagung des ›Club Jeunesse 2000‹ auch ein Geistlicher und ein Schlangenmensch mitgewirkt hatten. Der Geistliche habe immer gesagt: »Und Gott ließ Feuer über Sodom regnen!« – und dann habe er zugeschlagen.
Leutnant Branne verfaßte einen neuen Zwischenbericht. Er bekam dafür einen gewaltigen Anpfiff, denn das Präsidium war der Ansicht, man wolle die Polizei verhöhnen.
Pierre malte.
Vormittags brachte er Callacs Büro in
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