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Liebe ist stärker als der Tod

Liebe ist stärker als der Tod

Titel: Liebe ist stärker als der Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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rätselhafte Seelen Verwandtschaft.«
    Madame Coco nannte den ›Roten Henry‹ eine Erzsau, aber das war er gewöhnt. Verkannt zu sein, war seine Lebenstragödie. Einen Beweis hatte er im April erhalten: Er war eine tragische Erzählung losgeworden, tatsächlich, und sie wurde gedruckt im wöchentlichen Familienblatt ›Dimanche français‹. Sie wurde ein voller Erfolg, die Leser schrieben, sie hätten sich selten so amüsiert, und der ›Rote Henry‹ bekam von der Redaktion den Auftrag, noch vier solcher Grotesken zu schreiben.
    »Grotesken!« schrie er. »Das war eine menschliche Tragödie!« Darauf besoff er sich, aber er schrieb die vier Erzählungen doch. Auch bei ihm ging es jetzt aufwärts … wie bei Ponpon, der ein Engagement im ›Lido‹ bekam und fast verrückt vor Freude und Stolz wurde, und wie für das ›Gebetbuch‹, der für sein Referat ›Das Wunder der Gläubigkeit in der französischen Kathedralbaukunst‹ ein Sehr gut erhielt. (Obwohl er alle Kirchen abschaffen wollte!)
    Es schien, als bringe Ev ihnen allen Glück.
    Der Wunder größtes aber war eine Einladung von Marius Callac: Er bat Madame Cosima Lebrun zu einem Abendessen ins Riz. Er wagte es eben. Einem alten Mann verzeiht man auch einen roten Drachen wie Coco. Außerdem ist das Riz vieles gewöhnt.
    Aber in diesem sonnigen, duftigen, blütengeschwängerten Juni in Paris hörten die Wunder nicht auf: Madame Coco erschien mit tiefschwarzen Haaren, glatt angelegt nach spanischer Art, mit einem Mittelscheitel. Ihre Körpermasse war durch ein Korsett gebändigt, dessen Konstrukteur einen Preis verdiente.
    Callac hielt den Atem an, als er sie aus dem Taxi von Fürst Globotkin steigen sah. Dann stürzte er ihr entgegen und küßte ihr die Hand.
    »Ma petite!« sagte er zärtlich. »O Gott im Himmel!«
    Es gibt in Paris immer wieder zwei Menschen, die noch glücklicher sind als die anderen glücklichen Menschen.
    Wer kann sagen, woran das liegt?
    *
    Am 22. Juni regnete es in Paris. Aber das Radio meldete: »An der Küste Südfrankreichs Sonnenschein und sommerliche Temperaturen.« Das grüne Vehikel ›Mes Rues‹ stand vor der Tür, aufgetankt, beladen mit zwei Koffern und zwei Reisetaschen, zwei Riesenkuchen von Madame Coco und einem traurigen Bouillon. Drei seiner Hündinnen waren zum Abschied gekommen, saßen auf dem Bordstein und schnüffelten wehmütig. Er sah zur anderen Seite auf die Straße … auch ein Hund hat eine Seele, und ob bei einem Hund drei läufige Hündinnen die Liebe zu seinem menschlichen Herrn aufwiegen, das hat noch kein Tierpsychologe erforscht.
    Callac hatte eine uralte Karte ausgegraben, vergilbt und zerrissen, ein Heiligtum seines ganzen verflossenen Lebens, und sie Pierre übergeben. Eine Karte der Camargue. Mit Rotstift waren ein paar Kringel gezogen … Orte, an denen er mit Cosima gewesen war. »Fotografiere alles, wie es jetzt dort ist«, hatte er zu Pierre gesagt. »Eigentlich dürfte sich nichts verändert haben. Dieses Land ist die Ewigkeit selbst. Aber es gibt ja die Menschen, die an der ewigen Schönheit herumpfuschen …«
    Hinter Paris, bei Fontainebleau, hörte der Regen auf. Von da an begleitete die Sonne das grüne, schnaufende Vehikel nach Süden, der Rhône entgegen, dem Land entgegen, von dem ein Franzose sagt: In Paris liegt unser Nationalgefühl – in der Provence unser Herz.
    Sie fuhren langsam – Veteranen wie ›Mes Rues‹ sind wie Veteranen des Militärs: Sie schreien Hurra, das alte Feuer blitzt in den Augen, aber beim Marschieren kommen sie etwas aus dem Tritt. Das grüne Ungeheuer rumpelte über die Autobahn, bis Pierre sie verließ und bei Beaune abbog auf die Landstraße. Sie fuhren durch Maisfelder, die in der Sonne glühten, durch Weinrebengärten und goldenüberhauchtes Korn. Dann plötzlich, auf einem kleinen staubigen Nebenweg in der Nähe von Tavaux, hielt Pierre ›Mes Rues‹ an. Vor ihnen lagen ein paar alte Bauernhäuser, wie ausgestorben in der Mittagsglut. Rotbraune, verwaschene Dächer, zerfallende Zäune, hochwandige Scheunen für den später geernteten Mais. Breite Leiterwagen, ein paar fahle Kühe auf den Weiden. Ruhe und Ergebenheit in Gottes Milde oder Zorn.
    »Hier –«, sagte Pierre. Er stieg nicht aus. Er blickte durch die Frontscheibe und umklammerte das Lenkrad. »Hier habe ich mit meiner Mutter gelebt. Hierher hatte man sie aus Paris verbannt, weil sie mich bekam, von einem Mann, dessen Vornamen sie nur kannte. Hier ist sie gestorben. Und von hier holte man

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