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Liebe ist stärker als der Tod

Liebe ist stärker als der Tod

Titel: Liebe ist stärker als der Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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mich weg in das Waisenhaus. Hier wurde der Landstreicher Pierre geboren, weil sein Großvater zu stolz war, einen Bastard aufzuziehen.« Er legte den Arm um Bouillon und drückte den häßlichsten Hund von Paris gegen seine Brust. »Wie war's bei dir, Bouillon? In welcher Ecke hat man dich ins Leben geworfen?« Er sah den Hund an, gab ihm einen Kuß auf den struppigen Kopf und blickte über die stacheligen Haare zu Ev hinüber. »Wenn du wüßtest, was ein Hund für mich bedeutet«, sagte er leise. Dann gab er wieder Gas, wendete auf der kleinen Straße und fuhr zurück zur großen Route.
    Ev fragte nicht danach. Sie schwieg auch weiterhin. Die Rückkehr Pierres zu seinem Ursprung konnte ihm niemand zerreden oder verschönen. Aber sie dachte an die Bilder, die jetzt fast alle verkauft waren … an die junge Frau mit den traurigen Augen, dem schmalen Gesicht und dem Lockenkopf. Die schöne Mama im goldenen Sonnenlicht – Pierres einziger Anker im Leben. Bis sie kam. Eva Bader. Das Au-pair-Mädchen, das vom Arc de Triomphe springen wollte wegen eines Kindes. Das gleiche Schicksal … rundete sich dadurch Pierres Leben. Lag hier das Rätsel ihrer Liebe, die bisher nie ihre Körper erreicht hatte?
    Man soll Veteranen nicht unterschätzen: Das grüne Ungeheuer ›Mes Rues‹ schaffte die Strecke, für die Pierre zwei Tage gerechnet hatte, an einem Tag. Bei Einbruch der Dunkelheit – es war ein Abendhimmel, so gewaltig mit seinen roten, orangenen und violetten Wolken über einem weiten, weingesegneten Land mit ockerfarbener Erde, daß Ev verstand, warum ein Maler einmal in seinem Leben in der Provence sein mußte – erreichten sie einen winzigen Flecken, der aus neun weißen Häusern bestand und einer Töpferei, deren Brennöfen man in einen Hügel hineingegraben hatte. Diese Ansammlung von Hütten hieß Le Pin de St. Rémy, und bevor Pierre den Wagen anhielt, erklärte er: »Hier werden wir wohnen. Die Töpferei gehört einem aus unserer Clique. Er ist vor drei Jahren weg aus Paris. Wir nannten ihn nur den ›Tonkopf‹, weil er schon damals auf einer selbstgebastelten Drehscheibe Krüge und Töpfe drehte und sie bemalte. Ein guter Freund …«
    Er hupte. Aus einer der Höhlen kam eine breite, halbnackte Gestalt, bärtig und braungebrannt, musterte das grüne Vehikel und tippte an die Stirn. Erst dann kam er näher, erkannte Pierre, als dieser ausstieg, und breitete die Arme aus.
    »Pierre!« rief der ›Tonkopf‹. »Es ist wahr geworden! Du bist gekommen! Die Provence grüßt dich! Und die Provence wartet auf dich! Sie braucht dich! Ich habe es dir immer gesagt!« Dann bemerkte er Ev und Bouillon und ließ Pierre sofort los. »Was ist das? Bist du verrückt?«
    »Ich erkläre es dir später einmal, Tonkopf.«
    »Auto und Hund passen zu dir … aber das Mädchen? Bist du Millionär geworden, Junge?«
    »Nicht ganz. Das ist Ev …«
    »Mademoiselle.« Der große, breite Kerl mit dem wilden Bart kam näher, drückte Ev die Hand und machte eine weite Armbewegung. »Mein Land ist euer Land!« sagte er. »Das ist leicht gesagt, denn mir gehört nur der Hügel und der Stall dort drüben. Aber wer hier lebt, fühlt sich als Teil dieses Ganzen. Hier wird man Natur, Mademoiselle. Hier weiß man plötzlich, was Schöpfung ist.«
    Später saßen sie unter einem Schilfdach, aßen auf Holzkohle gegrilltes Lammfleisch und tranken einen herrlichen würzigen roten Landwein. Über ihnen pendelten zwei Petroleumlampen in einem Wind, der vom Meer kam, der nach Meer roch, obgleich das Meer noch so weit entfernt war.
    »Kann man von der Töpferei leben?« fragte Ev, als sie ergriffen von der Nacht und umzirpt von Zikaden über das Land starrten. Die Erde atmete die Wärme des Tages zurück, sie duftete wie eine erregte Frau.
    »Man kann, wenn man so lebt wie ich.« Der ›Tonkopf‹ – keiner kannte seinen wirklichen Namen, und er nannte ihn auch nie – nahm einen Schluck aus seinem Selbstgebrannten und bemalten Tonbecher. Bizarre Gebilde, wie sie auch Picasso herstellte, nur möglich in dieser Landschaft, in der Gott – wäre er Campingbegeisterter – sein ständiges Zelt aufschlagen würde. »Es ernährt mich, ich lebe in absoluter Freiheit, ich weiß, wie es im Paradies gewesen sein muß. Was will man mehr? Ich bedauere jeden, der für einen Franc zehnmal seinen Rücken krümmen und ›Jawohl, Herr Chef‹ sagen muß. Freunde –«, er dehnte seinen breiten, braunen, nackten Brustkorb, ein Urbild von Gesundheit und Freude, »das

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