Liebe ist staerker als Haß
daß er sie nicht mehr brauche, weil sie für ihn jetzt ein Feind sei wie die Howards.
Ihre Brüder machten sich mit den Männern auf die Suche nach dem vermißten Knaben. Zared saß still da und wartete. Liana meinte, vielleicht sei er mit einem der Arbeiter ins Dorf gegangen. Aber man hatte im Dorf schon nach ihm gesucht und keine Spur von dem Knaben und dem Howard gefunden. Beide schienen vom Angesicht der Erde verschwunden zu sein.
Bei Sonnenuntergang war Rogan entschlossen, einen Krieg gegen die Howards anzuzetteln. Doch Liana und Zared flehten ihn um Aufschub an. Es war ja auch möglich, daß zwischen dem Verschwinden des Knaben und dem von Zareds Mann überhaupt kein Zusammenhang bestand.
Sie suchten den Burggraben mit beschwerten Netzen ab, fanden aber keine kleine Leiche. Liana weinte vor Erleichterung.
Im Frauengemach saß Zared am Fenster und schaute unverwandt in nördliche Richtung, in der Hoffnung, ihren Mann zurückkommen zu sehen. Es konnte ja auch sein, daß er nur mal einen Tag Urlaub von den Peregrines genommen hatte, um sich in die Sonne zu legen und die Blumen zu betrachten. Ihren Brüdern konnte sie von dieser Möglichkeit nichts sagen, denn sie hätten nie verstanden, wie ein Mann den Wunsch haben konnte, sich Blumen anzusehen.
Bei Sonnenuntergang holten sich die Männer Fackeln und setzten in den umliegenden Wäldern die Suche nach dem Kind fort.
Und hier im Wald trafen sie auf einen Wilderer. Zuerst glaubte der erschrockene Mann, Rogan und seine Begleiter hätten es auf ihn abgesehen. Vor Angst konnte er nur unzusammenhängende Worte stammeln. Erst nach einiger Zeit kam er dahinter, daß die Peregrine-Männer sich überhaupt nicht dafür interessierten, wer ihnen das Wild von ihrem Besitz holte. Da erzählte er ihnen, daß er einen großen, dunkelhaarigen Mann zu Pferde gesehen habe, der ein rotblondes Kind vor sich im Sattel gehabt hatte.
Rogan und Severn fragten den Mann lange aus. Dann waren sie überzeugt, daß es sich bei dem Kind um Rogans Sohn handelte und der Mann kein anderer als Tearle Howard gewesen war.
Grimmig kehrten Rogan und Severn in die Burg zurück und berieten, wie sie den Krieg führen sollten.
»Hier stimmt etwas nicht«, sagte Zared. »Er hat das Kind bestimmt nicht entführt. So etwas tut er nicht.«
Worauf Rogan seine ganze Wut an ihr ausließ. Er brüllte sie an, daß ihr wollüstiges Verlangen nach einem Mann die Ursache dafür sei, daß jetzt das ganze Geschlecht der Peregrines ausgerottet werden würde. Und er schrie: »Wenn du ein Kind von ihm bekommst, werde ich es gleich nach der Geburt umbringen!«
Zared war machtlos gegen seine Wut. Sie mußte allerdings zugeben, daß die Logik auf seiner Seite war. Sie hatten den Wilderer mit auf die Burg Moray geschleppt. Der Mann mußte seine Geschichte vor den Frauen wiederholen. Er beschrieb Tearle genau bis auf die Farbe der Kleidung, die er angehabt hatte, und das Wappen der Howards am Schwertgriff. Und er beschrieb Rogans Sohn. Er sagte, er sei rotblond gewesen und habe Rogan ähnlich gesehen. Es war nicht mehr daran zu zweifeln: Tearle hatte das Kind vor sich im Sattel gehabt. Und mit ihm waren drei Männer in den Farben der Howards geritten.
Zared hätte gern zu ihrem Mann gehalten und eine andere Erklärung für die Beobachtungen des Wilderers gefunden, aber es gab keine. Tearle war nun einmal gesehen worden, wie er mit Rogans Sohn in Begleitung von drei Howard-Rittern in Richtung des Howard-Gebiets geritten war.
Am folgenden Morgen nach dem Verschwinden seines Sohns ritt Rogan mit Severn und fast dreihundert Männern los. Mehr hatte er nicht auftreiben können. Sie reichten nicht aus, um einen Krieg gegen die Howards vom Zaum zu brechen. Aber mehr Männer konnten die Peregrines auch nicht bezahlen.
Zu einem Zeitpunkt der Debatte hatte Zared vorgeschlagen, daß sie mitreiten wolle. Aber Rogan hatte sie mit einem Blick aus zornfunkelnden Augen zum Schweigen gebracht. Sie zählte für ihn jetzt fast ebenso zu seinen Feinden wie der Howard.
Als die Männer ausritten, sagte Liana: »Wir Frauen müssen still zu Haus warten, während unsere Männer in den Tod reiten.«
Doch Zared konnte nicht stillsitzen und warten. Statt dessen wanderte sie tagelang unruhig auf den Burgzinnen umher, bis sie die Schuhsohlen durchge-laufen hatte. Dann warf sie die Schuhe von oben in den Burggraben und ging barfuß weiter. Unentwegt suchte sie den Horizont ab.
Zwei Tage lang blieb sie in ihrem Glauben an den Ehemann fest.
Weitere Kostenlose Bücher