Liebe ist staerker als Haß
quälen zu können?«
Tearle sah sie unsicher an. Er konnte sich vorstellen, wie sein Bruder über die Aussicht, eine Peregrine unter seinem Dach zu haben, frohlocken würde. Ja, er würde mit Zared so umspringen, daß die Fehde nicht beendet, sondern nur noch vertieft würde.
Immer noch lachend sagte Zared: »Du bist also gekommen, um mich zu heiraten. Wie bist du denn an meinen Bruder herangetreten?«
»Ich sage dir doch, ich habe ihm Kleidung gebracht.«
Plötzlich fühlte sich Tearle unbehaglich. Er hatte noch nie um die Hand einer Frau angehalten und daher auch noch nie einen Korb bekommen. Was konnte eine Frau sich denn Besseres wünschen als ihn? Er war der Bruder eines Herzogs, er sah gut aus, er war ...
»Du glaubst doch nicht im Ernst, ich wäre so dumm, dich zu heiraten«, wetterte sie. »Dann könnte ich mich euch ja gleich als Gefangene ausliefern. Ich will die Wahrheit wissen. Warum kamst du her?«
Tearle hatte Mühe, seine Selbstachtung zu bewahren. Er grinste gezwungen. »Du kannst mir keinen Vorwurf daraus machen, daß ich es versucht habe. Es ist die reine Wahrheit. Ich wollte die Fehde wirklich beenden. Ich bin des Hassens müde. Und so glaubte ich, ich könne mich vielleicht mit deinem Bruder anfreunden und so die Haßgefühle ersticken.«
»Anfreunden? Wie kann ein Howard je der Freund eines Peregrine werden?«
»Oh, ich habe bereits Fortschritte gemacht. Ich brachte die Kleider, und ich brachte deinem Bruder eine Rüstung mit Silberüberzug. Es ist meine eigene. Wir haben ungefähr die gleiche Größe.« Damit wollte er ihre Aufmerksamkeit auf seinen kräftigen, muskulösen Körper lenken und ihr zu verstehen geben, daß er nicht der Schwächling war, für den sie ihn offenbar hielt.
Sie stand auf und ging zur anderen Seite des großen Zeltes. »Du hast Kleider und eine Rüstung gebracht -Kleider und Rüstung der Howards -, und mein Bruder hat sie so ohne weiteres entgegengenommen?« Langsam kamen Zared Zweifel an ihrem Bruder. Severn hatte erzählt, er hätte schon an vielen Turnieren teilgenommen. Doch dann stellte sich heraus, daß er nicht einmal das Eröffnungszeremoniell kannte. Er hatte behauptet, er wisse alles über Frauen, und doch hatte er nicht vorhergesehen, daß sich Lady Anne höchst ungern vor allen Leuten auf sein Pferd reißen lassen würde.
»Das war leichter, als ich gedacht hatte. Dein Bruder schien zu erwarten, daß Lady Liana ihm Kleider schickt.«
»Erwartet hat er sie nicht. Aber Liana ...« Schnell brach sie ab. Sie wollte diesem Mann, einem Feind, überhaupt nichts sagen. Es paßte gar nicht zu Severn, daß er einem Fremden Gehör schenkte. Doch vielleicht waren ihm die Ereignisse des Vortags nun selber peinlich gewesen.
Sie hob den Kopf. »Dann bist du jetzt also ein Diener meines Bruders? Willst du das damit sagen? Er soll dich Smith nennen, und du, ein reicher Mann -reich durch Betrug, denn euer Land gehört rechtmäßig meiner Familie, aber immerhin reich - du sollst uns das Essen zubereiten? Sollst die Nachttöpfe leeren?«
»Ich werde dafür sorgen, daß eure faulen Knechte ihren Dienst ordentlich versehen.«
Sie glaubte ihm nicht. Sie glaubte ihm kein Wort »Nachdem die Howards jetzt wissen, daß ich eine Frau bin, planst du, mich zur Ehefrau zu nehmen?«
»Ich habe keinem Menschen erzählt, daß du eine Frau bist. Und ebensowenig habe ich jemandem erzählt, daß ich ein Howard bin.«
»Irgendwer wird dich schon erkennen. Er wird dich als Howard entlarven, und dann wird mein Bruder dich töten, und dein Bruder ...«
»Hör auf!« rief er. »Ich bin kein Ungeheuer, wie du mich darzustellen beliebst. Ich bin einfach ein Mensch, der sein Leben nicht mit einem unseligen Haß vergeuden will. Nun habe ich eine Möglichkeit gefunden, Freundschaft mit den Peregrines zu schließen, und habe die Gelegenheit beim Schopf ergriffen. Außerdem kennt mich hier niemand außer Anne. Und sie ...« Er hielt inne, denn er sah ein, daß er schon zuviel gesagt hatte.
»Anne? Lady Anne? Die Frau, die Severn heiraten wird?«
»Anne soll einen ungebildeten Lümmel wie deinen Bruder heiraten? Eher würde sie ...«
Zared schlug ihm ins Gesicht, und es war ein derber Schlag.
Er machte Miene, sich auf sie zu stürzen. »Du kleine ...«
Vom Zelteingang her sagte Severn: »Bist du endlich aufgewacht?« Er mußte die Augen erst an das Dämmerlicht im Zelt gewöhnen. »Hast du Smith schon kennengelernt? Liana hat ihn geschickt.« Er ging zum Bett und nahm Zareds Teller.
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