Liebe ist staerker als Haß
Doch bevor er den ersten Bissen zu sich nehmen konnte, hatte Zared ihm den Teller entrissen.
»Das ist meins!« sagte sie. »Ich meine, das Essen war für mich bestimmt.«
Severn stutzte. »Na schön. Smith, hol mir was zu essen!«
»Nein!« schrie Zared und ließ den Teller los. Das Essen fiel zu Boden. Sie stellte sich rasch zwischen Tearle und das übrige Essen, das noch auf einem niedrigen Tisch stand.
Severn runzelte die Stirn. »Was ist denn mit dir los?«
»Äh..., äh...« Ihr fiel nichts ein, was sie sagen konnte.
»Ich glaube, der Jüngling meint, es sei nicht so gut wie das, was bei den Marshalls aufgetischt wird. Dies hier ist kalt und fettig. Im Festsaal aber wird gerade heiße Suppe serviert.«
Severn war immer noch verwirrt. Es sah Zared nicht ähnlich, daß sie sich Gedanken ums Essen machte. Solange keine Maden im Fleisch waren und das Brot so gut durchgebacken war, daß die Würmer darin nicht mehr herumkrochen, pflegten die Peregrines zu essen, was auf den Tisch kam.
»Ich will, daß du das Beste bekommst«, sagte Zared. »Du mußt dich für die Kämpfe stärken.«
Severn zerzauste ihr das Haar. »Na schön, dann werde ich zum Festsaal gehen. Du bleibst mit Smith hier und gehst die Sachen durch, die Liana geschickt hat. Kannst ja mal sehen, ob auch etwas für dich dabei ist.«
»Meine eigenen sind für einen Peregrine passender.« Kritisch betrachtete sie Severns Waffenrock aus reicher schwarzer Seide. An den Rändern waren goldene und silberne Drachen eingestickt. »Wir müssen ja nicht alle wie Pfaue herumstolzieren.«
Severn sah sie scharf an. »Mach mir keine Schande! Smith, paß auf meinen Knappen auf!« Damit machte er kehrt und ging aus dem Zelt.
5
Zared sah den Howard hinausgehen und in dem Wagen wühlen, der mit den Kleidern und Waffen beladen war. Ihr knurrte der Magen. In der Ferne hörte sie Waffengeklirr und die Anfeuerungsrufe der Menge. Das Turnier war in vollem Gang. Hatte Severn schon gekämpft? Und wer sonst noch? Hatte Colbrand schon gekämpft?
Sie wußte es nicht. Denn Howard hatte ihr einen Schlaftrunk verabreicht, und sie hatte den ganzen Tag verschlafen.
Sie beobachtete den Mann mit den schwarzen Haaren und der schwarzen Kleidung. Sie hatte sich so auf diese Tage gefreut, und nun wurden sie ihr zum Alptraum. Wollen denn die Howards mir das ganze Leben vergällen? dachte sie. Würde nie die Zeit kommen, in der sie von ihnen befreit sein würde? Nicht einmal in der Umgebung ihrer eigenen Burg konnte sie allein ausreiten, ohne von einem Howard geschnappt zu werden. Und jetzt sah es ganz danach aus, als dürfte sie auch beim Turnier keinen Spaß haben.
Sie sah, wie er ein Kleidungsstück aus rubinrotem Samt mit Graufuchsbesatz herauszog.
Er hatte ihr die Ehe angetragen. Die Ehe zwischen einem Howard und einer Peregrine. Was für eine absurde Idee! Ihre Brüder würden ihr nie gestatten, sich unter die Fuchtel Oliver Howards zu begeben. Ganz davon zu schweigen, daß die Howards sie wahrscheinlich in Ketten an die Wand schmieden und verhungern lassen würden.
Dieser Howard hier würde nie die Kraft aufbringen, sich gegen seinen älteren Bruder zu stellen. Eine Ehe mit ihm würde sie zur Gefangenen seines Bruders machen. Dieser Weichling, der fast an einer leichten Stichwunde gestorben wäre, würde niemals Manns genug sein, um sich gegen jemand wie Oliver Howard aufzulehnen.
»Das hier«, sagte er und bot ihr einen dunkelroten Waffenrock an. Darüber hatte er ein Paar feingestrickter Hosen gebreitet.
»Ich werde ...« Sie hatte sagen wollen, daß sie nie etwas anziehen würde, das ihr ein Howard geschenkt hatte. Aber da schritt gerade Colbrand vorbei. Er war genauso schön, wie sie ihn in Erinnerung hatte, vielleicht noch schöner. Wieder trug er Weiß. Ein Weiß, so sauber und rein wie ein Bergsee. Seine Haare glänzten im Sonnenschein. Die Rüstung funkelte. Seine Augen ... Tearle drückte ihr den Waffenrock so fest an die Brust, daß sie einen Schritt zurücktreten mußte. »Zieh das an!« sagte er grimmig.
Sie befühlte den Samt und besah sich den Pelzbesatz. Vielleicht würde sie Colbrand in einem hübschen Gewand besser gefallen. »Ich werde es tragen, aber nicht für dich«, gab sie schnippisch zurück und wandte sich zum Zelt um. Dann befahl sie ihm: »Bleib hier stehen, damit ich dich sehen kann!«
Ein Auge auf den Rücken des Feindes gerichtet, schlüpfte sie rasch in die neuen Gewänder. Sie streckte das Bein aus und sah zu ihrer Freude, daß die
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