Liebe ist staerker als Haß
mit der schönen Anne zu vergleichen. Aber an Zared bezauberte eine Unschuld, die Anne nie besitzen würde. Tearle erinnerte sich an ihre Miene, als sie die Handschuhe anprobierte. Es gab eine ganze Welt voll Neuheiten, die er Zared gern gezeigt hätte.
Vielleicht ist es gerade ihre Unerfahrenheit, die mich an ihr fasziniert, dachte er. Vielleicht entzückte ihn Zareds Frische deshalb so sehr, weil er in all diesen Jahren so viel erlebt und gesehen hatte. Es rührte ihn sogar, wenn sie Colbrand voller Verehrung anblickte. Anne und alle Frauen ihrer Art waren es gewöhnt, daß viele gutaussehende Männer ihnen den Hof machten. Nie würden sie ihre Gefühle so offen zeigen.
Wenn Anne einen Mann liebte, würde sie es ihm nie sagen, es sei denn, es brächte ihr Vorteile ein. Aber Zared, dachte Tearle lächelnd - Zared würde ihr Leben einsetzen, um den Mann zu schützen, den sie liebte.
»Das würde mir eine große Ehre sein«, sagte Tearle schließlich. Das war zwar eine Lüge, doch er sprach sie lächelnd aus.
Auch Anne lächelte. Sie wußte, daß er log. »Zieh dich jetzt an! Ich gehe zuerst, damit mich niemand mit einem halbnackten Mann sieht - auch wenn er alt genug ist, um mein Vater zu sein.«
Tearle verstand sie nur zu gut. Es gefiel ihm, daß sie seine Männlichkeit bewunderte. Nach seinen Erlebnissen mit Zared gefiel ihm jede Frau, die in ihm den
Mann sah. Sie war schon an der Tür, als er sagte: »Dann also bis Mitternacht!«
Sie nickte und verließ das Gemach.
Als Zared vom Turnierplatz zurückkehrte, war sie in großer Verwirrung. Es war zu viel auf sie eingestürmt. Sie dachte daran, wie sich der Howard über sie geworfen hatte - sie spürte es förmlich - und die Huftritte des Pferdes für sie hingenommen hatte. Sie hatte sie durch seinen Körper hindurch gefühlt. Und dennoch hatte er danach ihre Hilfe abgelehnt.
Hatte er sie denn aus anderen Gründen gerettet? Wollte er die Peregrines und Howards endlich miteinander versöhnen? Wenn Oliver Howard wirklich Dokumente gefunden hatte, die bewiesen, daß das Land der Howards eigentlich den Peregrines gehörte, so brauchte er sie doch nur zu verbrennen. Er hätte es gar nicht nötig, seinen Bruder zu schicken, damit er die Versöhnung der beiden Familien herbeiführte.
Sie hielt sich die Ohren zu, als könnte sie so die widersprüchlichen Gedanken auslöschen. Was wollte der Mann von ihr? Warum ließ er sie nicht in Ruhe? Warum wollte er sie nicht Colbrand überlassen?
Kaum kam ihr dieser herrliche Mann in den Sinn, da beschloß sie, zu seinem Zelt zu gehen. Vielleicht würde der Anblick des schönen Blonden sie vergessen machen, daß die Erinnerung an den dunkelhaarigen Rivalen sie nicht mehr losließ.
Aber vor Colbrands Zelt traf sie nur seinen Knappen Jamie, der sie sofort beschimpfte.
»Du bist wohl gekommen, um dich an seiner Niederlage zu weiden?« fragte er höhnisch.
»Nein. Ich ...« Ja, was will ich denn? dachte sie. Nur Colbrand sehen?
»Dein Bruder hat nur Glück gehabt. Das Pferd meines Herrn ist nämlich ausgerutscht.«
»Das stimmt nicht. Severn ist einfach der bessere Kämpfer, das ist alles.«
»Er ist auf keinem Gebiet besser als mein Herr!« schrie Jamie. »Mein Herr kämpft besser als er. Er ist der bessere Mann. Und am Ende wird Colbrand doch siegen und die Hand von Lady Anne erringen.«
Die Ereignisse dieses Tages hatten Zared so durcheinandergebracht, daß sie ihre Zunge nicht bezähmen konnte. »Mein Bruder wird sich mit Lady Anne vermählen.«
Jamie grinste sie unverschämt an. »Lady Anne haßt deinen Bruder. Hinter seinem Rücken macht sie spöttische Bemerkungen über ihn. Alle anderen merken es. Heute hat sie ihn nach dem Essen sogar geschlagen.«
Zared wußte, daß der Jüngling die Wahrheit sagte. Aber gerade deswegen haßte sie ihn. Es war ein mageres Kerlchen, und sie war gewiß, daß sie ihn windelweich schlagen könnte.
Schon wollte sie auf ihn losgehen, als ihr Colbrand die Hand auf die Schulter legte.
»Müßt ihr euch denn dauernd streiten?« fragte er.
»Ich habe ihm gesagt, daß Ihr die Absicht habt, Euch mit Lady Anne zu vermählen«, berichtete Jamie genießerisch.
»Ach ja, die schöne Lady Anne. Ihr Vater möchte ihr einen starken Mann zum Gemahl geben.«
»Dann wird es ein Peregrine sein«, erklärte Zared frei heraus.
»Mit deinem Bruder würde er eine gute Wahl treffen«, bestätigte Colbrand.
Zared lächelte ihn beglückt an. Er ist nicht nur schön und lieb, dachte sie, sondern auch
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