Liebe ist staerker als Haß
Grundbesitz! Fassungslos sah er ihr nach, als sie losrannte, um Severn in den Sattel zu helfen. Denn jetzt ritt er gegen Colbrand.
Doch selbst an der Seite ihres Bruder lächelte sie noch Colbrand zärtlich an.
»Ich gebe beinahe mein Leben für sie«, murmelte Tearle, »und bekomme nicht einmal ein Dankeswort. Aber für Colbrand, der nichts für sie getan hat, ist sie Feuer und Flamme.«
Er trat beiseite, um zu beobachten, wie Severn und Colbrand aufeinander zustürmten. Sie waren beide ausgezeichnete Turnierkämpfer. Falls nicht einer besonderes Glück hatte, würde der Kampf nach Tearles Ansicht unentschieden ausgehen. Als es zum vierten Gang kam, hatte Tearle es satt, mit anzusehen, wie Zared bei jedem Vorbeiritt Colbrands den Atem anhielt, wie sie vor Angst um ihn zitterte. »Wenn mir Pferdehufe fast den Rücken zertreten, läßt sie das ungerührt«, murmelte er, »aber sie bebt vor Furcht, daß eine leichte Holzlanze ihm in seiner stählernen Rüstung etwas anhaben könnte.«
Dann brach Severn seine vierte Lanze gegen Colbrand, und den gleichen Erfolg erzielte Colbrand gegen Severn. Daraufhin gab Tearle Zared zu verstehen, daß jetzt er Severn eine neue Lanze und Wasser zur Erfrischung bringen wolle.
Während Severn hastig trank, sagte Tearle zu ihm: »Er hält die Lanze etwas zu tief und zu weit nach links. Wenn Ihr links vor ihm ausweicht und Eure Lanze höher haltet, müßtet Ihr ihn treffen, ohne selbst getroffen zu werden.«
Severn sah ihn scharf an. »Meine Schwester hat nur Augen für diesen Colbrand. Möchtet Ihr gern, daß ich ihn aus dem Sattel hole?«
»Ich würde ihn zu gern mit dem Bauch im Dreck liegen sehen«, sagte Tearle mit tiefem Gefühl.
Severn grinste. »Ich werde mein Bestes tun«, sagte er, ließ das Visier herab und stemmte die Lanze ein, die Tearle ihm gereicht hatte.
Es wurde der einzige Gang, in dem nur Severn seine Lanze brach, und Colbrand nicht. Damit hatte Severn die höhere Punktzahl erzielt.
Tearle konnte es sich nicht verkneifen, mit hämischer Freude Zared zu sagen: »Es sieht so aus, als ob deinem unbesiegbaren Ritter nun doch die Flügel gestutzt werden.«
»Ja, durch meinen Bruder«, erwiderte sie. »Nur ein Peregrine bringt das Kunststück fertig. Sonst kann ihn kein anderer Mann hier schlagen. Kein anderer Mann in ganz England.«
»Ich ...«, begann Tearle und verstummte wieder.
»Du - was?« fragte sie blitzenden Auges. »Du wolltest doch nicht etwa behaupten, du könntest ihn schlagen?« Lächelnd fuhr sie fort: »Die Howards können nur im Hinterhalt lauern und Frauen entführen. Die Howards scheuen den offenen Kampf.«
Damit wandte sie sich ab und gesellte sich zu Severn, der zu den Zelten der Peregrines ritt. Plötzlich reichte es Tearle. Er hatte sich sonst vor Frauen nicht retten können. Immer war es ihm leichtgefallen, die Gunst einer Frau zu gewinnen, auf die er es abgesehen hatte. Aber dieses dumme kleine Ding brachte es fertig, daß er an sich selber zu zweifeln begann.
Er hielt einen vorbeikommenden Pagen an, gab ihm eine Kupfermünze und trug ihm eine Botschaft für Lady Anne auf, die auf der Tribüne saß. Kurze Zeit später sah er, wie der Page Anne etwas zuflüstere, wie sie ein paare Worte mit ihrem Vater sprach, die Tribüne verließ und sich auf den Heimweg begab. Tearle folgte ihr in einiger Entfernung, sah sie die Treppe hinaufgehen und folgte ihr kurz darauf. Als er oben ankam, sah er noch, wie ihr Rocksaum hinter einer Tür verschwand. Er betrat ebenfalls das Gemach und schloß die Tür hinter sich.
»Du bist in Gefahr?« erkundigte sich Anne.
»Ja«, sagte Tearle. »Es besteht höchste Gefahr, daß ich eine Frau umbringe.«
»Und ich einen Mann«, erwiderte Anne.
»Colbrand?«
»Nein. Es handelt sich um deinen Feind, diesen Peregrine.«
»Severn?« fragte Tearle, schnallte den Gürtel ab und schickte sich an, den Waffenrock abzulegen.
»Was tust du da?«
»Ich wurde von einem Pferd getreten und möchte, daß du dir die Verletzungen ansiehst. Was hat dir Severn getan?«
Anne half ihrem Freund beim Auskleiden. »Weißt du, daß er die Absicht hat, sich mit mir zu vermählen? Das sieht er als ganz selbstverständlich an. Heute hat mein Vater mir beim Essen den Platz neben ihm angewiesen; er sagte, er sei nur in der Absicht hergekommen, mich zur Frau zu gewinnen. Er schien das als eine große Ehre für mich zu betrachten - wie übrigens mein Vater auch, nachdem er den Mann bei den Turnierkämpfen gesehen hat.«
Tearle hegte
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