Liebe ist staerker als Rache
Gewissheit, dass es Nic einfach nur um Sex gegangen war. Sie hatte angenommen, er würde ihr sein wahres Wesen enthüllen, etwas ganz Persönliches mit ihr teilen. Dabei war alles nur Theater gewesen, um sie in Sicherheit zu wiegen. Allein der Gedanke daran, wie einfach es war, sie derart zu manipulieren, trieb ihr immer noch die Schamesröte ins Gesicht.
Sie hatte damals ihrem Vater das Ergebnis des Vaterschaftstests mitgeteilt, aber er hatte sie weiterhin für die Sünden ihrer Mutter büßen lassen – bis auf seinem Totenbett. Und jetzt stand Maddie vor der Aufgabe, den letzten Wunsch ihres Vaters zu erfüllen. Das hieß: Sie musste Nicolás de Rojas vergessen und ihre ganze Energie daran setzen, den Vasquez-Besitz zu retten.
„Die hast du gestern vergessen, Cinderella.“
Maddie erstarrte, als sie die sonore, nur allzu vertraute Stimme hinter sich vernahm. Unvermittelt überlief sie eine Gänsehaut. Zögernd hob sie ihren Blick von den Weinstöcken, die sie gerade inspizierte. Im Gegenlicht sah sie eine Gestalt, die ihr ein Paar Schuhe entgegenstreckte.
Ihr wurde schwindelig. Letzte Nacht hatte sie kaum ein Auge zugetan, da unentwegt die haarsträubendsten Bilder in ihrem Kopf kreisten. Außerdem drohten schlimmste Albträume, sollte sie die Augen schließen. Es konnte also durchaus sein, dass sie gerade halluzinierte.
Widerwillig stand sie auf, als auch nach ein paar Sekunden weder die Gestalt noch die Schuhe verschwanden. Sie nahm sie Nic aus der Hand. „Du hättest dich wirklich nicht persönlich bemühen müssen“, sagte sie unfreundlich.
In den verschlissenen Jeans, dem alten T-Shirt und den abgeschabten Reitstiefeln fühlte sie sich dieser Begegnung nicht gewachsen. Glücklicherweise verdeckte die Krempe ihres Gaucho-hutes ihre Augen. Nic war ebenfalls leger gekleidet. Das blaue Polohemd und die verwaschene Jeans saßen wie eine zweite Haut und betonten seinen athletischen Körper.
„Die Frage, warum du ein Kleid und Schuhe trägst, die dir mindestens eine Nummer zu groß sind, ließ mir einfach keine Ruhe.“
Das Blut schoss Maddie in die Wangen. Wütend funkelte sie ihn an. Wieso kennt er meine Schuhgröße? Aber gegen seine Ausstrahlung und den durchdringenden Blick seiner funkelnden blauen Augen fühlte sie sich machtlos. „Sie sind noch von meiner Mutter“, murmelte sie.
Er hob eine Augenbraue. „Dein Gepäck ist verloren gegangen?“
„Klar, alle vierundzwanzig Designerkoffer – obwohl ich extra mein Monogramm hatte eingravieren lassen“, antwortete sie sarkastisch.
Erst jetzt wurde ihr die Dimension dessen bewusst, was gerade geschah. Nicolás de Rojas wurde Zeuge ihres Scheiterns. Wütend funkelte sie ihn an. „Wie bist du überhaupt hierhergekommen? Ich möchte, dass du sofort verschwindest. Du befindest dich auf Privatbesitz!“
Nic gab einen besänftigenden Laut von sich und verschränkte die Arme vor der Brust. Dies lenkte Maddies Aufmerksamkeit auf die mächtigen Muskeln seiner Arme. Sie hätte sich ohrfeigen können.
„Wie unhöflich! Dabei habe ich dir gegenüber gestern ein extremes Maß an Gastfreundschaft bewiesen! Immerhin haben wir Geschichte geschrieben, Maddie. Zum ersten Mal wurde die Kluft zwischen unseren Familien überwunden.“ Sein Mund verzog sich zu einem spöttischen Lächeln. „Natürlich abgesehen von der unappetitlichen Affäre deiner Mutter mit meinem Vater. Nicht zu vergessen … unsere eigenen unbefriedigenden Versuche in dieser Richtung.“
Übelkeit stieg in Maddie auf. „Das ist lange her.“ Sie hob trotzig das Kinn und sah, wie sein Gesicht versteinerte.
„Du bist mir wirklich ein Rätsel, Madalena Vasquez. Irgendwie sehe ich dich trotz allem nicht so recht als Winzerin.“
Sie erstarrte, dann fiel ihr die Unterhaltung mit Eduardo, Nics Angestelltem, ein. „Müssen deine Mitarbeiter jetzt jedes meiner Worte an dich weitertragen? Oder hast du sie mit Mikrofon und Aufnahmegerät versehen und hörst die Bänder später ab?“
„Du willst doch nicht wirklich behaupten, du hättest es geschafft, in dein bewegtes Privatleben ein Studium für Önologie und Weinbau einzubauen?“ Seine Stimme klang absolut ungläubig.
„Offensichtlich hat dich ja auch dein eigenes bewegtes ‚Privatleben‘ nicht davon abgehalten, einer der jüngsten ‚Master of Wine‘ zu werden!“, konterte sie wutentbrannt.
„Ach, hast du dich auf dem Laufenden gehalten, was mich betrifft, Maddie?“
Sie errötete bis unter die Haarwurzeln und sah zu Boden.
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