Liebe ist staerker als Rache
In seinen Augen lag ein gefährlicher Ausdruck, und mit erstickter Stimme stieß er hervor: „Ich wusste es! Ich wusste immer, dass zwischen euch etwas war. Und mein Sohn? War er wenigsten von mir – oder auch von diesem Bastard?“
Später sollte sich Maddie immer nur sehr vage an die unmittelbar darauffolgenden Ereignisse erinnern. Jedenfalls gab es ein unglaubliches Geschrei und Weinkrämpfe. Irgendwann zerrte ihr Vater sie in ihr Zimmer und sperrte sie ein. Nach einer schlaflosen Nacht kletterte sie heimlich aus dem Fenster, ging in die Stallungen und sattelte ihr Pferd. Ihr war inzwischen alles egal, selbst der Zorn ihres Vaters konnte sie nicht mehr schrecken.
Zu ihrem Entsetzen ertappte sie sich dabei, dass sie instinktiv wieder zu dem Obsthain ritt – und sie war nicht allein. Nicolás de Rojas trat aus dem Schatten der Bäume. Mit düsterer Miene kam er auf sie zu.
Maddies Magen krampfte sich zusammen. In ihrem Innern herrschte Aufruhr. Namenlose Angst erfüllte sie – gleichzeitig flatterte ihr Herz jedoch vor Aufregung. Habe ich womöglich gehofft, ihn zu treffen? überlegte sie. Aber was sich noch gestern so stimmig und richtig angefühlt hatte, war jetzt in den Schmutz getreten und durfte nicht sein. „Was willst du hier?“
„Sehen, ob du kommst.“
Ihn zum Greifen nahe vor sich zu haben, gleichzeitig aber dieses grauenvolle Wissen, überforderte sie. „Ich bin nur gekommen, um dir zu sagen, dass ich dich nie mehr wiedersehen will!“, stieß sie mit erstickter Stimme hervor.
Sie sah, wie sich seine Miene verfinsterte, und fuhr schnell fort: „Du solltest gehen. Jetzt!“
Er kam jedoch auf sie zu und legte die Hand auf ihren Arm. „Das glaube ich dir nicht! Lässt du dich wirklich so leicht von ihnen einschüchtern?“
Die Berührung war einfach zu viel. Maddie riss sich los. „Fass mich nicht an! Ich kann es nicht ertragen!“ Sie drehte sich abrupt um. Plötzlich war ihr eiskalt, und sie zitterte am ganzen Körper. Als sie sich wieder zu Nic umdrehte, war er leichenblass. „Bitte … geh weg. Es ist vorbei.“
„Das sah aber gestern noch ganz anders aus.“
„Gestern war gestern. Heute ist heute. Ich will nichts mehr mit dir zu tun haben.“ Es kostete sie unsägliche Anstrengung, die Worte hervorzubringen. Ihr war schlecht, und sie musste gegen eine Ohnmacht ankämpfen.
Nic rührte sich nicht von der Stelle. Panik stieg in ihr auf. Sie konnte seinen Anblick nicht mehr ertragen. Nicht bei den Gefühlen, die er in ihr hervorrief, obwohl er doch womöglich …
Wieder krampfte sich ihr Magen zusammen. „Ich hatte Langeweile! Ich wollte sehen, ob es mir gelingen würde, dich zu verführen. Es war ein Tabu, das hat mich gereizt. Und das war schon alles!“
Maddie hob den Kopf vom Lenkrad, als ihr der Scheinwerfer eines Autos ins Gesicht schien. Sie fühlte sich von dieser Reise in die Vergangenheit wie gerädert. Ich will mich nicht erinnern! Schon gar nicht an das, was anschließend folgte.
Nic war auf sie zugetreten. Eiskalte Verachtung lag in seinen Augen. „Du mieses Stück! Eigentlich dachte ich, diese Familienfehde hätte mit uns nichts zu tun. Aber ich habe mich getäuscht. Gerade eben hat sie neue Nahrung bekommen.“
Wenn er nur gehen würde, wünschte Maddie inständig. Als er dann tatsächlich fort war, sank sie ins Gras und weinte. Sie konnte nicht mehr aufhören, bis sie in einen erschöpften Schlaf fiel.
Als sie Stunden später nach Hause zurückkehrte, musste sie entdecken, dass ihre Koffer bereits gepackt waren. Ihr Vater wartete mit ihrer Mutter im Wagen auf sie. Ohne ein Wort der Erklärung brachte er sie beide zum Flughafen und setzte sie dort ab. „Ich habe keine Frau und Tochter mehr“, verkündete er und fuhr davon.
Sie flogen nach Buenos Aires zu einer Tante. „Ich will wissen, wer mein Vater ist. Das bist du mir schuldig“, verlangte Maddie.
Ihre Mutter stimmte nach langen Kämpfen letztendlich zu. Der Preis dafür, dass ihr künftiger Exehemann ebenfalls in einen DNA-Test einwilligte, war jedoch hoch. Sie musste bei der Scheidung auf alles verzichten, und das verzieh sie ihrer Tochter nie.
Einen Monat, nachdem sie Mendoza verlassen hatten, suchte Maddie ein Labor in Buenos Aires auf, und zwei Wochen später bekam sie das Ergebnis: Sie war nicht mit Nicolás de Rojas verwandt. Sie war eindeutig eine Vasquez.
Ein schwacher Trost, da sie wusste, sie würde die Enthüllungen ihrer Mutter mit ins Grab nehmen. Dazu kam die schreckliche
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